SPD Vize Ralf Stegner im Interview über Angela Merkel
AZ: Herr Stegner, die Sympathiewerte der Kanzlerin sind auf dem absteigenden Ast. Wie kann die SPD daraus ihren Nutzen ziehen?
Ralf Stegner: Frau Merkel hat ihren Zenit überschritten. Das liegt vor allem daran, dass die Union ein zerstrittener Haufen ist. CDU und CSU haben auch keinen Erfolg in der Regierung. Die wollten eine Ausländer-Maut oder das Betreuungsgeld. Diese Vorhaben sind in Karlsruhe in der Tonne gelandet. Dagegen zeigt sich die SPD-Handschrift in der Großen Koalition: Mindestlohn oder abschlagsfreie Rente mit 63 sind große Erfolge. Das müssen wir jetzt in Prozente umsetzen.
Wo sehen Sie überhaupt noch Machtoptionen für die SPD?
Das kommt immer erst an zweiter Stelle, zunächst müssen wir für eigene Stärke sorgen. Die Leute lachen doch, wenn man mit mäßigen Umfragen nur über Machtoptionen redet. Fest steht allerdings: Die Grünen stehen uns mit Sicherheit am nächsten. Über alles andere kann man reden – außer mit Rechtspopulisten.
Wie will die SPD der AfD bei der Bundestagswahl den Wind aus den Segeln nehmen?
Indem wir uns um die realen Probleme der Menschen kümmern. Die heißen: gute Arbeit, Rente, Familie, Integration, Bildung, Gesundheit. Bei diesen Themen lösen wir Gerechtigkeitsfragen, damit nicht die einen gegen die anderen ausgespielt werden. Die CSU sagt dagegen: Lass uns doch den Mindestlohn für Flüchtlinge absenken. Das wäre ein Konjunkturprogramm für Rechtsradikale, weil Konkurrenz bei den Arbeitsplätzen geschaffen würde.
In den Umfragen schneidet die AfD aber weiter gut ab. Wie will die SPD das bis zur Wahl ändern?
Wir müssen die Rechtspopulisten zudem mit aller politischen Härte angehen und entlarven – das tut fast nur die SPD. Die CSU übernimmt gar Forderungen der AfD, die Konservativen versagen auf ganzer Linie. Innere Sicherheit zu stärken, indem man die doppelte Staatsbürgerschaft abschafft, wäre genauso, als würde man in China die Ein-Kind-Politik durchsetzen, indem man die Storchenjagd einfordert. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Das ist einfach Unfug und auf den Stammtisch orientiert.
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Die Siegchancen der SPD bei der Bundestagswahl 2017 sind mehr als gering. Warum sollte sich Parteichef Sigmar Gabriel dennoch in das vermeintlich aussichtslose Unterfangen Kanzlerkandidatur stürzen?
Wir müssen für die eigene Politik kämpfen, denn die SPD steht für Seriosität und Solidität in der Bundesregierung. In der Union dagegen streiten sie sich wie die Kesselflicker. Bundeskanzlerin Angela Merkel muss mit ihrer Ankündigung für eine Kanzlerkandidatur sogar warten, ob CSU-Chef Seehofer das gut findet. Das ist armselig. Seehofer verhält sich wie ein Halbstarker. Vor solchen Leuten muss die SPD keine Angst haben. Wir stellen unseren Kandidaten auf; am Ende entscheiden die Wähler.
Allerdings kommt die SPD nicht aus dem Umfragetief. Mit nicht mal 25 Prozent kann ihre Partei kaum den Kanzler stellen. Woraus ziehen Sie noch Hoffnung, dass es bis zur Bundestagswahl besser wird?
Ich glaube, dass wir ein gutes Politikangebot haben. Die SPD tritt für Gerechtigkeit ein, wir sind die Partei für leidenschaftliche Europa- und Friedenspolitik. Wenn sich die großen Parteien nicht unterscheiden, dann gewinnen die Populisten. Kämpfen kann die SPD; totgesagt worden sind wir schon oft.
Der Staat kann wieder mit einem Milliarden-Überschuss im Haushalt glänzen. Hat die SPD das Geld in Gedanken schon ausgegeben?
Nein. Es ist gut, dass wir im Moment solch erfreuliche Situation haben. Aber man muss auch dafür sorgen, dass das so bleibt. Deshalb darf man das Geld nicht verjubeln und keine Steuersenkungen mit der Gießkanne versprechen. Großverdiener brauchen in Deutschland keine Steuersenkung. Familien, Alleinerziehende und Normalverdiener müssen wir aber sehr wohl entlasten. Die zahlen hohe Sozialversicherungsbeiträge und Kitagebühren. Da will die SPD ran.
Wie sollen Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen konkret entlastet werden?
Als Erstes müssen wir bei der Sozialversicherung zur Parität zurück. Arbeitgeber müssen endlich den gleichen Anteil zahlen. Wir sind zudem für gebührenfreie Kitas. Und wir werden auch Familien und Leute mit kleinen und mittleren Einkommen entlasten. Zum Beispiel über den Steuertarif oder bei den Sozialbeiträgen. Das muss aber seriös finanziert sein. Da helfen gute Einkommen für alle, dazu war der Mindestlohn ein Schritt – aber nur für die allerunterste Ebene. Die SPD will auch endlich ran an die großen Konzerne, die im Gegensatz zum Handwerksmeister oft kaum Steuern bezahlen.