SPD und Linke: Hohe Hürden für Regierung in Hessen
WIESBADEN - Vor einem zweiten Anlauf für eine rot-grüne Minderheitsregierung in Hessen legen SPD, Grüne und Linke die Latte für ein solches Bündnis immer höher.
SPD-Parteichef Kurt Beck verwies mit Blick auf die Entscheidung der hessischen Sozialdemokraten, eine von der Linken geduldete rot-grüne Koalition auszuloten, auf die inhaltlichen Forderungen seiner Partei. «Der Beschluss der hessischen Genossinnen und Genossen enthält wichtige inhaltliche Bedingungen, die erst einmal erfüllt werden müssen», sagte er der «Bild am
Sonntag». Der hessische Linken-Fraktionschef Willi van Ooyen verlangte im Gegenzug für eine Unterstützung durch seine Partei einen Stopp des Flughafenausbaus in Frankfurt und den Abzug von Verfassungsschützern. Auch bei Personalfragen will die Linke mitreden.
Hessens SPD-Vize Jürgen Walter forderte von der Linken verlässliche Zusagen, bevor seine Partei in Koalitionsverhandlungen mit den Grünen eintrete. Dazu gehöre, dass ein Haushalt verabschiedet werden müsse, sagte er der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» (Samstag). Außerdem erwarte die SPD die Zustimmung zu wichtigen Vorhaben wie dem Flughafenausbau. Die Chancen, dass die SPD tatsächlich den Weg einer Minderheitsregierung unter der Führung von SPD-Landeschefin Andrea Ypsilanti gehen werde, bezeichnete er mit «50:50».
Der stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Bodo Ramelow, konterte in der «Märkischen Oderzeitung» (Samstag): «Wer Verbindlichkeit will, der muss sie auch in die andere Richtung zeigen. Dann muss man mit uns auch das gesamte Personaltableau bereden.» Ramelow bekräftigte die Forderung, auf den Flughafenausbau zu verzichten. Für van Ooyen bleibt der Umgang mit dem Verfassungsschutz ein heikler Punkt. «Keiner kann von uns verlangen, dass wir denjenigen die Hand reichen, die uns bespitzeln», sagte er der «Bild»-Zeitung (Samstag). Eine sofortige Abschaffung des Verfassungsschutzes werde man aber nicht fordern, fügte er im «Tagesspiegel am Sonntag» hinzu.
Weniger zurückhaltend äußerte sich der Linken-Bundesvorsitzende Oskar Lafontaine. Er gehe davon aus, dass seine Partei Ypsilanti geschlossen unterstützen wird, falls diese für das Amt der Ministerpräsidentin kandidiert. «Ich habe keinen Zweifel daran, dass alle Stimmen unserer Landtagsfraktion da sein werden», sagte Lafontaine dem Deutschlandfunk (Sonntag).
Skeptisch zeigte sich hingegen der für den Bundesvorsitz seiner Partei kandidierende Grünen-Politiker Cem Özdemir in der «Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung» zu Rot-Rot-Grün in Hessen: «Wir sind keine Versuchskaninchen, die Mehrheiten müssen belastbar stehen.» Die Grünen und die Linkspartei seien «wie Tag und Nacht».
Die hessische SPD will zunächst auf vier Regionalkonferenzen die Stimmung an der Basis ausloten. Anschließend sollen der Landesvorstand und ein Landesparteitag am 4. Oktober die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen für eine von der Linken tolerierte Minderheitsregierung mit den Grünen beschließen. Für den 1. November ist dann ein weiterer Parteitag vorgesehen.
Der Vorstand der hessischen CDU warnte erneut scharf vor der Bildung einer solchen Regierung. Der geschäftsführende Ministerpräsident Roland Koch (CDU) sprach in der «Wirtschaftswoche» von einer «aberwitzigen Konstruktion». Der Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Volker Kauder (CDU), setzte sich im «Wiesbadener Kurier» (Samstag) sogar für Neuwahlen ein.
SPD-Chef Beck bekräftigte seine Ablehnung der Ypsilanti-Pläne, betonte aber erneut die Eigenverantwortung des Landesverbands: «Das müssen jetzt die Hessen prüfen und entscheiden.» Einer Forsa-Umfrage zufolge lehnen 56 Prozent der SPD-Anhänger Ypsilantis Pläne ab. Laut einer ähnlichen Befragung des ZDF-«Politbarometers» tun dies jedoch nur 28 Prozent.
Beck schloss erneut aus, dass er sich im Bund als Kanzlerkandidat seiner Partei im kommenden Jahr mit den Stimmen der Linken zum Bundeskanzler wählen lasen würde. «Wenn ich wollte, könnte ich morgen das Angebot von Lafontaine annehmen und mich zum Kanzler wählen lassen», sagte er der «Bild am Sonntag». Doch sei «mit der sogenannten Linken kein Staat zu machen.» Laut einer Forsa-Umfrage im Auftrag von RTL glaubt nur jeder siebte Bundesbürger der SPD diese Absage an eine Zusammenarbeit im Bund. (dpa)