SPD fordert Mietenstopp auch in München – Katja Mast: "Wollen, dass Mieter nicht mehr überfordert werden"

Die Spitze der SPD-Bundestagsfraktion setzt sich für eine stärkere Begrenzung von Mieterhöhungen ein. In einem Beschlusspapier für die Fraktionsklausur Anfang der Woche ist unter anderem von einem "bundesweiten Mietenstopp", wirksamen Regelungen gegen Mietwucher und Maßnahmen bei den Indexmieten die Rede. Die AZ hat darüber mit Katja Mast, der Ersten Parlamentarischen Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion, gesprochen.
AZ-Interview mit Katja Mast von der SPD zum "bundesweiten Mietenstopp"
AZ: Frau Mast, Sie sind als eines von vier Kindern einer alleinerziehenden Mutter aufgewachsen. Mit welchen Gefühlen verfolgen Sie das Gezerre um die Kindergrundsicherung?
KATJA MAST: Zuerst einmal: Die Kindergrundsicherung ist notwendig und die SPD ist der Garant dafür, dass sie kommt. Warum sie so wichtig ist, kann ich anhand meiner Biografie verdeutlichen: Meine Mutter war halbtags Putzfrau in einer Schule, mein Vater hat keinen Unterhalt gezahlt. Das Geld war immer knapp. Und ich habe die Erfahrung gemacht, dass es sehr unangenehm ist, wenn man für alles einen Antrag stellen muss: für Kleidung, für Unterstützung bei der Waschmaschine – und wenn stets eine andere Behörde zuständig ist, wird es noch komplizierter.
Diesen "Job" haben relativ früh Sie übernommen.
Meine Mutter hat immer gearbeitet und trotzdem hat das Geld nicht für uns alle gereicht. Sie hat sich geschämt, zum Amt zu gehen. Weil ich diejenige Tochter war, die aufs Gymnasium ging, war ich fürs Schriftliche zuständig und habe ab einem Alter von zwölf Jahren die Anträge geschrieben. Dieser Anstand, den meine Mutter hatte, nicht nach Geld zu fragen, wie wichtig ihr die Arbeit war und dass sie jeden Cent eher für ihre Kinder als für sich ausgegeben hat – all das prägt mich bis heute, auch politisch.
Eigene private Erfahrung: Katja Mast spricht über Kindergrundsicherung
Die Kindergrundsicherung soll die Unterstützungsleistungen bündeln und vereinfachen. So, dass Familien eben nicht mehr alles einzeln beantragen müssen – wenn sie es überhaupt tun. Wenn Sie zurückschauen: Was macht das mit einem, wenn man um Hilfe bitten muss?
Man schämt sich – und ganz nebenbei macht es viel Arbeit. Meine Mutter hatte nebenher auch noch einen kleinen Garten, in dem sie Obst und Gemüse angebaut hat. Hinzu kam der Alltagsstress mit vier Kindern, Arztbesuchen et cetera. Deshalb finde ich es richtig, dass das nun einfacher werden soll.
Finanzminister Christian Lindner von der FDP findet, es sei sinnvoller, in Bildung und Förderung zu investieren, als den Eltern einfach mehr Geld aufs Konto zu überweisen. Brauchen Kinder nicht eigentlich beides: Investitionen in Bildung und Geld für den Schulranzen oder das Bus-Ticket?
Oder den Sportverein, oder die Kick-Schuhe oder das Geschenk beim Kindergeburtstag. Ich musste mir immer überlegen, welcher Kindergeburtstag überhaupt geht, ob wir Geld haben, um ein Geschenk zu kaufen. Deswegen geht es nicht um ein "Entweder oder", sondern um ein "Sowohl als auch", und wenn Christian Lindner noch viel Geld im Bundeshaushalt findet, freuen wir uns, wenn wir noch mehr in Bildungsinfrastruktur investieren können. So wie wir es etwa beim Gute-Kita-Gesetz schon machen. Aber es ist eben nicht so, dass nur Kinder aus Familien, die seit 2015 nach Deutschland gekommen sind, arm sind. Mein Beispiel zeigt doch: Es gibt schon immer Kinderarmut in der Bundesrepublik und es ist schlicht notwendig, dass wir es den Kindern einfacher und auskömmlicher machen. Wenn wir die Kinder nicht an der Gesellschaft teilhaben lassen, sind sie – neben der Schule – allein auf ihre Familien zurückgeworfen. Da muss man sich auch überlegen, ob das klug ist.
Katja Mast: "Das war die größte Kindergelderhöhung aller Zeiten"
Die Grüne Jugend fordert eine Kindergrundsicherung im Bereich von 250 bis 600 Euro im Monat pro Kind. Gibt es schon konkrete Zahlen?
Nein. Wir haben das Kindergeld für alle Kinder, also auch das zweite, dritte oder vierte – auf 250 Euro angehoben. Das war die größte Kindergelderhöhung aller Zeiten. Diese 250 Euro sind die erste Stufe. Für die Endsumme wollen wir das, was Kinder zum Leben brauchen, neu berechnen. Im Moment wird dieser Betrag vom Bedarf eines Erwachsenen abgeleitet. Dabei haben Kinder eigene Bedürfnisse. Ein Erwachsener kann mal auf ein Geburtstagsfest verzichten, für ein Kind ist das ziemlich hart. Kinder brauchen öfter neue Klamotten, essen aber weniger als Erwachsene. Deshalb muss man den Bedarf kindspezifisch berechnen – und je nach Bedürftigkeit sollen die Familien dann über die 250 Euro hinaus unterstützt werden.
"Jedes Kind soll sein Talent entwickeln können – und nicht nur das Talent, das dem Geldbeutel der Eltern entspricht"
Wie zuversichtlich sind Sie, dass es zwischen Familienministerin Lisa Paus von den Grünen und dem Finanzminister bis zur Kabinettsklausur am Dienstag und Mittwoch zu einer Einigung kommt?
Es gibt ja die Aufforderung des Bundeskanzlers, bis Ende August eine Einigung zu erzielen. Und ich würde mich sehr freuen, wenn auch aus den Ländern ein starkes Signal der Unterstützung kommt – und auch die Infrastruktur für Kinder tatkräftig unterstützt würde: Da geht es demnächst um den Rechtsanspruch auf eine Ganztagsbetreuung im Grundschulalter, zum Beispiel. Wir führen den Kampf gegen Kinderarmut ja auch, um Chancengerechtigkeit herzustellen. Jedes Kind soll sein Talent entwickeln können – und nicht nur das Talent, das dem Geldbeutel der Eltern entspricht.
"Ich erwarte, dass Herr Buschmann zeitnah einen Gesetzentwurf vorlegt"
Die Spitze der SPD-Bundestagsfraktion will sich nun eines Problems annehmen, das massiv auf den Geldbeutel vieler Menschen drückt: der stetig steigenden Mieten. Laut Öko-Institut verschlingt das Wohnen schon jetzt rund 46 Prozent des verfügbaren Einkommens einer Alleinerziehenden in München. Die Wohnkostenbelastung einer Familie mit zwei Kindern liegt demnach bei 36 Prozent. Wie wollen Sie gegensteuern?
Wir als SPD-Bundestagsfraktion wollen, dass es einen großen Aufschlag gibt, dass Mieterinnen und Mieter nicht überfordert werden. Dazu steht auch schon einiges im Koalitionsvertrag – das Thema liegt bei Bundesjustizminister Marco Buschmann von der FDP.
Sie meinen die Verlängerung der Mietpreisbremse von 2025 bis 2029, die Absenkung der Kappungsgrenze von 15 auf elf Prozent in Gegenden mit angespanntem Wohnungsmarkt und die Erweiterung des Mietspiegelbetrachtungszeitraums.
Ja – und ich erwarte, dass Herr Buschmann zeitnah einen Gesetzentwurf dazu vorlegt. Wir brauchen eine Entlastung der Mieterinnen und Mieter, die ja ganz besonders von der Inflation und den hohen Energiekosten betroffen sind.
"Man sollte die Mietpreisbremse nicht umgehen können, indem man ein Bett und einen Kühlschrank aufstellt"
Sie wollen nun aber noch weiter gehen und sich auch dafür stark machen, dass die Mietpreisbremse nicht mehr so leicht umgangen werden kann, wenn ein Zimmer zum Beispiel möbliert vermietet wird. Wie wollen Sie das anstellen?
Wir wollen, dass Möblierungszuschläge gesondert ausgewiesen werden, damit die eigentliche Miete transparent wird. So dass am Ende des Tages die normale Miete zählt – und nicht die Möbel, die in der Wohnung stehen. Man sollte die Mietpreisbremse nicht umgehen können, indem man ein Bett und einen Kühlschrank aufstellt. Außerdem wollen wir das Thema Indexmieten angehen. ##### "Wie teuer Lebensmittel sind, hat mit dem Mietpreis nichts zu tun"
Wie?
Diese Mieten orientieren sich an der Inflationsrate, was gerade jetzt für viele Mieter zum Problem wird. Die Miete sollte sich nicht an nicht-mietrelevanten Größen orientieren. Wie teuer Lebensmittel sind, hat mit dem Mietpreis nichts zu tun. Außerdem braucht es auch bei Indexmietverträgen eine Kappungsgrenze.
Und wie wollen Sie Mieter zukünftig vor immer höheren Nebenkosten bewahren?
Wir haben auch beim so genannten Heizungsgesetz dafür gesorgt, dass Mieter nicht überlastet werden. Dass nicht einfach eine Heizung eingebaut wird, die nicht zum Gebäude passt – und die Mehrausgaben für den Strom dann auf die Mieter umgelegt werden. Wir haben außerdem eingeführt, dass beim Heizungstausch maximal 50 Cent pro Quadratmeter obendrauf kommen dürfen. So eine Regelung wollen wir hier auch.
"Wir wollen, dass in besonders belasteten Gebieten wie etwa München die Mieten innerhalb von drei Jahren um maximal sechs Prozent steigen dürfen"
Sie fordern zudem einen bundesweiten Mietenstopp. Wie soll der aussehen?
Wir haben ja vorhin schon über die Kappungsgrenze gesprochen, bei der es darum geht, um wie viel Mieten in einem bestimmten Zeitraum steigen dürfen. Wir wollen, dass in besonders belasteten Gebieten wie etwa München die Mieten innerhalb von drei Jahren um maximal sechs Prozent steigen dürfen. Mir ist aber noch etwas anderes wichtig: Die Bayern-SPD hat das Thema bezahlbares Wohnen nicht nur deshalb im Landtagswahlkampf gesetzt, weil die Mieten hier so hoch sind, sondern weil Markus Söder und seine Regierung nicht geliefert haben. Er hat 2018 versprochen, 10 000 Wohnungen zu bauen, und aktuell sind es 89. Die Landeshauptstadt München hat im selben Zeitraum über 1000 Wohnungen gebaut, die bezahlbar sind.
Sie haben sich auch mit Mietwucher auseinandergesetzt. Wann liegt der vor?
Wenn die Miete die ortsüblichen Kosten um mindestens 20 Prozent übersteigt. Das Problem: Bisher muss man dem Vermieter beweisen, dass er die Zwangslage des Mieters ausnutzt. Das ist in der Realität so gut wie unmöglich. Hier brauchen wir eine lebensnahe Regelung, die Mieter wirkungsvoll schützt.
Die Fraktionsspitze hat außerdem ein Konzept für einen Transformationsstrompreis beschlossen: fünf Cent für fünf Jahre. Wie wollen Sie den Kanzler davon überzeugen, der eben diesen zuletzt als "schuldenfinanziertes Strohfeuer" bezeichnet hat, das man sich nicht leisten könne, zumal es "ökonomisch falsch und fiskalisch unsolide" sei?
Wir sind mitten in einem Energie-Strukturwandel hin zu Erneuerbaren Energien. Gleichzeitig haben wir viele energie-intensive Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen und für die es darum geht, wo sie investieren. In Deutschland, wo sie nicht wissen, wo der Strompreis einmal landet? Oder in den USA, wo der Inflation Reduction Act eine Menge Förderung verspricht? Oder ganz woanders? Wir wollen, dass die gutbezahlten Industriearbeitsplätze hierbleiben und die Investitionen für künftige Industriearbeitsplätze auch hier stattfinden. Deshalb brauchen wir eine Brücke, bis wir mit Hilfe der Erneuerbaren den Strompreis wieder stabil halten. Genau dafür ist der Industriestrompreis da. Er soll keine dauerhafte Subvention sein. Außerdem wollen wir ihn an Bedingungen knüpfen: den Ausbau Erneuerbarer Energien durch die Unternehmen, ordentliche Tariflöhne und eine Standortgarantie.
Und Sie glauben, dass Sie Olaf Scholz damit rumkriegen?
Ja, wir wollen gemeinsam keine dauerhafte Subventionierung. Ich bin zuversichtlich, dass wir am Ende des Tages gemeinsam durch diese Tür gehen.