SPD auf Wahlkampf-Tour: "Das Wahlergebnis in Bayern wird klar zweistellig"

SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert wandert auf Wahlkampf-Tour durch den Freistaat. Was er über den Höhenflug der AfD denkt – und was Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger seiner Meinung nach mit Gregor Gysi gemeinsam hat.
von  Natalie Kettinger
Wer stemmt die Maß am längsten (v.l.)? SPD-Bezirkstagskandidatin Gertrud Gruber, der Straubinger Direktkandidat Marvin Kliem, SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert und Listenkandidatin Nicola Nagels bei der Maßkrug-Challenge.
Wer stemmt die Maß am längsten (v.l.)? SPD-Bezirkstagskandidatin Gertrud Gruber, der Straubinger Direktkandidat Marvin Kliem, SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert und Listenkandidatin Nicola Nagels bei der Maßkrug-Challenge. © nk

Elisabethszell - Es regnet. Schon wieder. Seit einer knappen Woche tourt Kevin Kühnert nun durch den Freistaat und musste bereits etliche Male den Schirm zücken. Trotzdem ist der Generalsekretär der Bundes-SPD blendend gelaunt. "Die Stimmung ist gut", sagt der Berliner, der angereist ist, um die hiesigen Genossen im Landtagswahlkampf zu unterstützen.

Auf seiner "Bayern-Tour" war der 34-Jährige unter anderem in Augsburg, am Tegernsee und in Vilshofen, ist Seilbahn gefahren und viel gewandert, stets in Begleitung örtlicher Land- oder Bezirkstagskandidatinnen und -kandidaten. Nun, im Kreis Straubing-Bogen, hat ihn das schlechte Wetter auf dem Hadriwa-Höhenweg erwischt, von dem man eigentlich einen wunderbaren Blick über den Gäuboden hat.

Große Motivation im Wahlkampf: Kevin Kühnert auf Tour durch Bayern

Doch wie gesagt: Der General ist optimistisch. Viele der Kandidierenden widmeten ihren Sommerurlaub dem Wahlkampf, sagt er. "Die Motivation ist hoch." Obwohl die Sozialdemokraten im Freistaat zehn Wochen vor dem Urnengang bei knapp zehn Prozent herumdümpeln und damit in unmittelbarer Nähe der verheerenden 9,7 Prozent aus dem Jahr 2018, glaubt Kühnert: "Das Ergebnis wird klar zweistellig." Der Status als Kanzlerpartei würde helfen, der "kurze Draht nach Berlin".

Auf Olaf Scholz, den er einst als Parteichef mitverhindert hat, lässt der frühere Juso-Vorsitzende heute nichts mehr kommen. Scholz sei ein durch und durch politischer Mensch und ein interessanter Gesprächspartner. "Manchmal höre ich, sein Unterhaltungswert könnte höher sein. Aber er ist ja gerade aufgrund seiner Seriosität gewählt worden." Wichtig seien die politischen Ergebnisse - von der Erhöhung des Mindestlohns und des Wohngeldes über die Anhebung von Kindergeld und Kinderzuschlag bis hin zum Fachkräfteeinwanderungsgesetz.

Top Thema der SPD: Soziales Wohnen

In Bayern wollen die Sozialdemokraten mit ihrem Spitzenkandidaten Florian von Brunn nun erneut bezahlbares Wohnen zum Thema machen - was 2018 allerdings nicht verfangen hat. Damals, sagt Kühnert, habe Ministerpräsident Markus Söder (CSU) die staatliche Wohnungsbaugesellschaft BayernHeim aus dem Hut gezaubert, 10.000 neue Wohnungen in den nächsten fünf Jahren versprochen und das Sujet damit abgeräumt.

"Heute können wir Bilanz ziehen: Nicht mal 100 Wohnungen hat die BayernHeim gebaut - und nur etwas über 200 angekauft. Nicht einmal fünf Prozent des ausgegebenen Ziels sind erreicht worden." Die SPD wolle sich dafür einsetzen, dass die Menschen nicht mehr als ein Drittel ihres Einkommens fürs Wohnen ausgeben müssen. Deshalb gebe der Bund in dieser Wahlperiode 14,5 Milliarden Euro für die soziale Wohnraumförderung aus. "Aber die Tinte unter dieser Vereinbarung war noch nicht trocken, da ging schon die Meldung über den Nachrichtenticker, dass im Haushaltsentwurf des Freistaates Bayern die Staatsregierung den Ansatz für die soziale Wohnraumförderung um exakt die Millionensumme gekürzt hatte, die der Bund zusätzlich gegeben hat." Eine Frechheit sei das, sagt Kühnert.

Scharfe Kritik an Söders Politik

Überhaupt spart er - erwartungsgemäß - nicht mit Kritik an der Söder-Regierung. Deutschlandweit arbeiteten nur noch 52 Prozent der Beschäftigten in Unternehmen mit Tarifbindung - und Bayern liege dabei unter dem Bundesdurchschnitt. "Unser Ziel ist es, dass wir zu 80 Prozent Tarifbindung kommen, damit sich gute Arbeit wieder lohnt."

Deshalb wolle die Bundesregierung in der zweiten Jahreshälfte ein Tariftreue- und Vergabegesetz auf den Weg bringen. "Staatliche Aufträge sollen zunächst vorrangig und später ausschließlich an tarifgebundene Unternehmen vergeben werden", erklärt Kühnert.

In 13 Bundesländern sei das bereits Praxis - allerdings nicht in Sachsen, Schleswig-Holstein und Bayern. "Deshalb muss diese Landtagswahl eine Art Volksabstimmung darüber werden." Zumal der Freistaat jedes Jahr öffentliche Aufträge im Wert von 15 Milliarden Euro vergebe.

Klare Worte gegen den Zulauf bei der AfD

Auf seiner Wanderung über den Höhenweg wird Kühnert von Listenkandidatin Nicola Nagels, Kreistagsanwärterin Gertrud Gruber, dem Straubinger Direktkandidaten Marvin Kliem und einem guten Dutzend niederbayerischer Sozialdemokraten begleitet. Hört man sich bei den Genossen um, beschäftigt sie aktuell vor allem ein Thema: der Höhenflug der AfD. Kühnert plädiert für eine klare Abgrenzung - und keinerlei Zusammenarbeit. Gleichzeitig warnt er vor Panikmache. "Wenn wir uns die Köpfe heißreden, hat das eine mobilisierende Wirkung für die."

An die Adresse von Bayerns Wirtschaftsminister und stellvertretendem Ministerpräsidenten Hubert Aiwanger (Freie Wähler) gerichtet, fährt er fort: "Man darf die Sprache der AfD nicht übernehmen. Sprache schafft Wirklichkeit. Wenn sich Demokraten hinstellen, und sagen ,Wir müssen uns die Demokratie zurückholen', bleibt bei den Leuten hängen, dass sie wohl irgendwie weg ist, unsere Demokratie. Was für ein gefährlicher Quatsch!" Am Ende werde dann das Original gewählt - auch wenn man vorher mit Applaus bedacht worden sei.

Rechtsruck in der bayerischen Politik?

Söders Absage an jegliche Kooperation mit der AfD hingegen lobt der SPD-General: "deutlich und klar, daran gibt es nichts zu kritteln". Allerdings müsse man sich bei Söder immer die Frage stellen, wie lange eine Ansage gelte.

Doch zurück zu Hubert Aiwanger. Den fänden die Leute wohl irgendwie originell, sein Auftreten, die klare Sprache - "ein bisschen wie der Gregor Gysi von der rechtskonservativen Seite. Nur dass der Gysi tatsächlich in der Opposition ist. Aiwanger tut bloß so."

Über seine Bilanz als zweitmächtigster Mann im Freistaat werde dabei jedoch erstaunlich gnädig hinweggesehen, wundert sich Kühnert: "Die großen Industrie-Ansiedlungen finden derzeit alle in der Mitte und im Norden der Republik statt, weil die Unternehmen die Versorgung mit Erneuerbaren Energien und die Leitungsinfrastruktur in Bayern zunehmend als Investitionshemmnis erleben - und er schafft es mit Winnetou-Debatten und ähnlichem Tschingderassabum davon abzulenken."

Maßkrug-Challenge für Instagram Follower

Am Ende der Wanderung, nach Brotzeit und Diskussionsrunde in der urigen Hansl-Hütte in Elisabethszell, wartet noch eine Herausforderung auf Kevin Kühnert: Seine Follower bei Instagram stellen ihm während der Bayern-Tour jeden Tag eine Aufgabe. Mal sollte er eine Ziege füttern (am Ende war es ein Galloway-Rind), mal ein neues SPD-Mitglied anwerben (was nicht gelang) oder ein Windrad finden (Kühnert entdeckte sogar zwei).

Nun soll er im Maßkrugstemmen gegen Nicola Nagels, Gertrud Gruber und Marvin Kliem antreten. Die Kontrahenten haben zehn Sekunden Zeit, um möglichst viel Bier aus ihrem Krug zu trinken und so das Gewicht zu reduzieren. Anschließend wird die Maß mit ausgestrecktem Arm nach vorne gehalten. Sieger ist, wer das am längsten schafft. Kühnert schlägt sich wacker, der Gewinner heißt jedoch Kliem. Der 26-Jährige hat an diesem Tag Geburtstag - passt und prost!

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