Sparpaket und Präsidentenwahl: Kanzlerin in der Klemme

Bundeskanzlerin Angela Merkel ist doppelt unter Druck: Die Union will mehr Gerechtigkeit im Sparpaket, die FDP droht mit Stimmentzug bei der Präsidentenwahl. Steht die Regierung kurz vor dem Zusammenbruch?
von  Abendzeitung
Merkel unter Druck
Merkel unter Druck © dpa

Bundeskanzlerin Angela Merkel ist doppelt unter Druck: Die Union will mehr Gerechtigkeit im Sparpaket, die FDP droht mit Stimmentzug bei der Präsidentenwahl. Steht die Regierung kurz vor dem Zusammenbruch?

BERLIN Die Traumkoalition – für Bundeskanzlerin Angela Merkel ist sie zum Albtraum geworden. Die Regierung macht den Eindruck, als stehe sie kurz vor dem Zusammenbruch, die Minister beschimpfen sich als „Wildsauen“ und jetzt auch noch als „Rumpelstilzchen“ (siehe Kasten) und die Bundeskanzlerin wird von zwei Seiten in die Zange genommen: Die eigene Partei pocht auf ein sozial gerechteres Sparpaket, will Reiche stärker beteiligen. Die FDP ist strikt dagegen und droht mit Liebesentzug bei der Präsidentenwahl. Der 30. Juni wird Merkels Schicksalstag.

Am Tag drei nach dem Sparpaket wirken mächtige Zentrifugalkräfte in der Koalition. Alles scheint auseinanderzufliegen. Die Angst vor dem Zorn des Wählers ist offenbar groß. Jetzt bemängeln sogar die Arbeitgebervertreter in der Union eine soziale Schieflage beim Sparpaket. Kurt-Joachim Lauk, Chef des CDU-Wirtschaftsrats, fordert eine Anhebung des Spitzensteuersatzes: „Wenn es zwei, drei oder vier Prozent mehr sind, wenn damit mehr soziale Ausgewogenheit da ist, können wir uns damit anfreunden“, sagt Lauk. „Wenn der Staat in Not ist, verweigert keiner, weder arm noch reich, seinen Beitrag zu leisten.“

Auch Bundestagspräsident Norbert Lammert drängt Merkel zu einer Reichensteuer, als „Signal einer breiten, gemeinsamen Anstrengung in unserer Gesellschaft. Ein Beitrag der Spitzenverdiener wäre ganz sicher nicht konjunkturschädlich gewesen.“ Aus dem Finanzministerium kommt dazu ein klares Nein: „Steuererhöhungen sind Gift für die Konjunktur. Die Konsolidierung muss über Ausgabenreduzierung erreicht werden“, sagte Finanzstaatssekretär Steffen Kampeter.

Die FDP ist strikt gegen Steuererhöhungen – und sauer über die anhaltenden Debatten in der Koalition. Aber: Die Partei ist geschwächt, in der aktuellen Forsa-Umfrage auf fünf Prozent zurückgefallen. Ihr letztes Druckmittel auf Merkel: Die Präsidentenwahl. Offiziell versuchen die Koalitionäre zwar, den Eindruck eines „Geschäfts“ zu vermeiden. Inoffiziell heißt es in Berlin aber auch: „Alles hängt mit allem zusammen.“ Konkret: Ohne die FDP-Stimmen bekommt Merkel ihren Kandidaten Christian Wulff nicht durch. Deshalb: Keine Steuererhöhungen im Sparpaket. 42 Prozent der Deutschen sind laut einer aktuellen Forsa-Umfrage ohnehin für Joachim Gauck, nur 32 für Wulff.

Einige FDP-Landesverbände drohen jetzt unverhohlen mit Stimmenentzug: „Die bürgerliche Mehrheit für Wulff in der Bundesversammlung ist nicht sicher, solange unter den Wahlleuten der FDP das Unbehagen über die Union groß ist“, sagte Hessens FDP-Chef Jörg-Uwe Hahn. Das Gerede über Steuererhöhungen müsse ein Ende haben. Sachsens FDP-Chef Holger Zastrow nannte seinen Landesverband „hin- und hergerissen“. Es gebe „große Sympathien für Gauck“. „Die Sache ist noch nicht gelaufen“, sagte auch die liberale Bundestagsfraktionschefin Birgit Homburger mit Blick auf die Präsidentenwahl. Sie fordert ein Machtwort von Merkel und ein Ende der Steuererhöhungs-Debatte: „Finanzminister Schäuble hat bei der Kabinettsklausur für Steuererhöhungen geworben“, sagte Homburger. „Wir haben dafür gesorgt, dass sie nicht kommen.“ Und Jörg-Uwe Hahn giftet gegen Merkel: „In meinen Augen ist die CDU-Vorsitzende das Problem. Sie hat ihre Granden nicht im Griff.“

CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt warnt die FDP vor einem „Kuhhandel“: „Die FDP hat Wulff als gemeinsamen Kandidaten mit unterstützt. Ich erwarte auch, dass das jetzt voll umfänglich so eingehalten wird.“

Doch die FDP will ihr Druckmittel nicht aus der Hand geben. Parteiintern heißt es bereits, man könne Wulff auch in den zweiten oder dritten Wahlgang schicken. Das allerdings wäre für Merkel und Westerwelle eine Riesn-Watschn. Mit unabsehbaren Folgen. A. Zoch

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