Souverän ist anders
Dass der türkische Premier Recep Tayyip Erdogan bei seiner Wortwahl nicht die Goldwaage verwendet, wissen wir spätestens seit seinen unsäglichen Ausfällen gegen die Demonstranten vom Gezi-Park im Sommer. Im Zusammenhang mit dem aktuellen Korruptionsskandal und dessen möglichen Langzeit-Folgen langte der 59-Jährige verbal noch einmal deutlich härter hin.
Wirre Verschwörungs-Theorien, gepaart mit Beschimpfungen und Verdächtigungen bis jenseits des Atlantiks – souverän ist anders. Aber dafür gibt es jenseits der speziellen Persönlichkeitsstruktur des langjährigen AKP-Vorsitzenden und Regierungschefs gute Gründe. Erdogan fürchtet schlicht um die Macht. Mit Mustafa Sarigül hat die oppositionelle CHP erstmals seit Jahren wieder einen erfolgversprechenden Kandidaten fürs Amt des Istanbuler Bürgermeisters zu bieten.
Gewählt wird in knapp vier Monaten. Und am Bosporus gilt: Wer Istanbul gewinnt, gewinnt auch die Türkei. Wenn er überhaupt so lange durchhält, muss sich Erdogan 2015 wieder zur Wahl stellen. Bis dahin kann eine erstarkte Opposition mit einem populären Zugpferd viel Boden gut machen. Politische Beobachter auch in Deutschland räumen Sarigül durchaus ernsthafte Chancen ein.
Vor allem, wenn der derzeitige Amtsinhaber mit seinen unqualifizierten Rundumschlägen und seinen offenbar völlig aus dem Ruder gelaufenen Attacken gegen Menschenrechte, Pressefreiheit und sonstige Errungenschaften der Demokratie weitermacht.
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