Söders Grenzpolizei: Alles nur ein "Etikettenschwindel"?

Für den Vorschlag, in Passau eine 500 Mann starke Truppe aufzubauen, bekommt Ministerpräsident in spe Markus Söder Gegenwind von der Opposition. Der Grund: Seit 1998 dürfen dort nur Bundesbeamte wachen.
München - Hin und her ist der bayerischen Landespolitik nicht fremd. Studiengebühren und achtjähriges Gymnasium wurden eingeführt und wieder abgeschafft. Schul- und Wissenschaftsministerium wurden getrennt und wieder zusammengeführt, ein Verbraucherschutzministerium aufgebaut und wieder fusioniert. Jetzt steht die bayerische Grenzpolizei 20 Jahre nach ihrer Abschaffung vor der Wiedergeburt. Doch sie wird ganz anders sein müssen als früher. Die Wiedererrichtung der bayerischen Grenzpolizei war ein Verkaufsschlager des designierten Ministerpräsidenten Markus Söder auf dem vergangenen Aschermittwoch in Passau. Zumal Söder versprach, die Direktion der 500 Mann starken Truppe in der Dreiflüssestadt anzusiedeln.
Was er nicht erwähnte: Weiß-blaue Grenzpolizisten werden an den Grenzen nichts zu sagen haben. Und wo die Beamten herkommen sollen, bleibt auch sein Geheimnis. Mit dem Wegfall der Grenzkontrollen zu Österreich hatte Bayern 1998 den Schutz der Grenzen zur Alpenrepublik und Tschechien dem Bund mittels Verwaltungsabkommen überlassen und die bis dahin bestehende bayerische Grenzpolizei in bestehende Einheiten eingegliedert.
Der damals amtierende bayerische Innenminister Günther Beckstein (CSU) konnte damit den Abzug von Bundespolizeieinheiten aus dem Freistaat verhindern. Grüne sprechen von "einer Art Hausregiment" Damit Reisende die geplanten neuen Uniformen der „Bayerischen Grenzpolizei neu“ an der Grenze zu sehen bekommen, wäre ein neues Verwaltungsabkommen mit dem Bund erforderlich, heißt es in einem Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes im Bundestag. Ansonsten müsse sich die neue Truppe auf die „verbliebenen grenzpolizeilichen Aufgaben“ beschränken.
Grüne: "Eine Art Hausregiment" Söders
Bei der Zurückweisung von Personen an der Grenze hätten die Bayern also nach wie vor nichts mit zu reden. Dieser Umstand veranlasst die Opposition im Landtag von einem „Wahlkampfthema“ (SPD-Innenpolitiker Peter Paul Gantzer) oder „Etikettenschwindel“ (Freie Wähler-Sicherheitsexpertin Expertin Eva Gottstein) zu sprechen. Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze sieht darin nur „eine Art Hausregiment“ Söders. Bei der Polizei sind die Meinungen über den Söder-Plan geteilt. Während der Landesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Rainer Nachtigall, Söders Vorhaben begrüßt, lehnt sie der Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Peter Schall, wegen der Schaffung eines neuen Verwaltungsapparats ab. Eine Grenzpolizei alter Art, so Schall, werde die neue sowieso nicht, da die Zuständigkeit für Grenzkontrollen der Bundespolizei übertragen sei. Mit der „bayerischen Grenzpolizei“ erwartet DPolG-Chef Nachtigall noch mehr Effektivität beim bewährten Erfolgsmodell der Schleierfahndung. Diese sei „intelligenter“ als die Kontrollen an den Grenzen. Das könnte Söder einfacher haben, indem er die Schleierfahndungstruppe personell aufstockt, meint SPD-Polizeiexperte Gantzer: Grenzpolizei sei „nur ein anderer Titel für die Schleierfahndung“. So sieht man das auch bei der GdP: Die Schleierfahndung werde vom Landeskriminalamt und den Polizeipräsidien gesteuert, so Schall: „Insofern ist der Aufbau einer zentralen Führung unserer Meinung nach nicht notwendig“. „Wir werden keine zusätzliche Bürokratie produzieren“, verspricht Innenminister Joachim Herrmann. Eigenartig ist aber, dass nach den Söder-Plänen wieder eine Polizeidirektion mit 500 Beamten und 160 Einsatzfahrzeugen geschaffen werden soll, nachdem alle Direktionen der Polizei vor einigen Jahren abgeschafft wurden.
Das halten manche heute noch für einen Fehler. Die Vorstellung, dass mit der Neuauflage der bayerischen Grenzpolizei schlagartig weitere 500 Beamte für mehr Sicherheit im Grenzraum sorgen, ist irrig. Herrmann spricht von „schrittweisem Aufbau“, denn Personal steht von heute auf morgen nicht zur Verfügung. Das gilt auch für die zusätzlichen 1000 Polizeibeamten, die der künftige Ministerpräsident Söder neben der Grenzpolizei versprochen hat. Die Ausbildung dauert drei Jahre. Die Schleierfahnder, die derzeit in einem 30-Kilometer-Streifen entlang der Grenzen operieren, kommen aus allen möglichen Dienststellen. Würde man sie in die Grenzpolizeidirektion eingliedern, würde man woanders Löcher aufreißen.