Söder – durch die Hölle ganz nach oben

Was macht man nicht alles für die Karriere: Auf dem Weg Richtung Staatskanzlei übernimmt der Lebensminister nun das undankbare Amt als Kassenwart. 
von  Angela Böhm

Was macht man nicht alles für die Karriere: Auf dem Weg Richtung Staatskanzlei übernimmt der Lebensminister nun das undankbare Amt als Kassenwart. Sonntag ist gleich der erste Einsatz.

Es ist eine Entscheidung auf den letzten Drücker: Am Donnerstag um 12.30 Uhr ernannte Horst Seehofer seinen Umweltminister Markus Söder (44) zum neuen Finanzminister. Heute, Freitag, zieht der Franke in sein neues Ministerium am Odeonsplatz ein. Am Sonntag muss er gleich an die Front – zum großen Steuergipfel der zerstrittenen Koalition in Berlin. Dort soll er an der Seite des CSU-Chefs um die Senkung des Soli kämpfen.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble ist dagegen. Er hält an seinem Plan fest, die kalte Progression in der Einkommenssteuer abzubauen. So wie er es gemeinsam mit FDP-Chef Philipp Rösler vorgestellt hatte – ohne Seehofer, was zum großen Krach geführt hat. Wäre der bayerische Ministerpräsident in Berlin ohne neuen Finanzminister angereist, hätte er sich bis auf die Knochen blamiert. Dort lästert man eh nach den Chaos-Tagen in München über den Ober-Bayern, wie er denn überhaupt noch einen Finanzminister gefunden habe.

Geschlagene fünf Tage hatte Seehofer gebraucht, um seinen bisherigen Kassen-Chef Georg Fahrenschon, der nach sicheren Ufern strebt und am 30. November Präsident des Deutschen Sparkassenverbands werden will, zu ersetzen. „Eigentlich waren’s ja nur eineinhalb Tage, weil Allerheiligen dazwischen war“, versucht Seehofer sein Minister-Casting zu verharmlosen. „Fünf Tage brutto, zwei Tage netto.“ Fahrenschon wollte bis zu seiner Wahl im Amt bleiben und musste erst zum vorzeitigen Rücktritt überredet werden.

Wie angespannt die Lage war, zeigte sich gestern bei seinem Abschied. Den musste er um 11 Uhr im nüchternen Pressekonferenzsaal im ersten Stock der Staatskanzlei absolvieren. „Ich lege das Amt als bayerischer Ministerpräsident“, verhaspelte er sich und merkte es erst, als alle lachten. „Das war ein freudscher Versprecher“, entschuldigte sich Fahrenschon. „Sie sehen, wie emotional die Situation ist.“ Dann setzte er neu an. „Ich lege mein Amt als bayerischer Finanzminister wieder zurück in die Hände des Ministerpräsidenten.“ Erst danach konnte Söder gekürt werden.

Drei Etagen höher, im eleganten „großen Arbeitszimmer“, gleich neben dem Büro des Ministerpräsidenten. „Jetzt geh ma zu Markus, dem Großen“, frotzelte Seehofer. Das muss einen Alarm bei Söder ausgelöst haben. Denn der CSU-Chef hat schon einmal einen Hoffnungsträger so begrüßt, dessen Popularität ihn nervte. „Hier kommt der Größte aller Zeiten“, empfing er im September 2010 auf der CSU-Klausur in Banz Karl-Theodor zu Guttenberg. Fünf Monate später war der Geschichte.

Als strahlender Sieger, der nun im Kronprinzen-Rennen seine Dauerkontrahentin Christine Haderthauer abgehängt hat, präsentierte sich Söder gestern nicht. Die Hände gefaltet, die Lippen zusammengepresst, spreizte er seine Beine, als suche er besonders festen Stand. „Ich habe mich nicht danach gedrängt“, sagte er über sein neues Amt. „Aber wenn man so eine Aufgabe angeboten bekommt, muss man die Herausforderung annehmen.“ Damit war’s dann mit der Demut auch schon vorbei.

Söder wäre nicht Söder, wenn er nicht die Muskeln spielen lassen würde. „Ich ducke mich nicht weg“, stellte er klar. „Man muss auch schwierige Aufgaben übernehmen.“ Er werde um den ausgeglichen Haushalt und die Stabilität des Euros kämpfen. „Da braucht man ein breites Kreuz“, sagte Söder und stellte seine Beine noch ein bisschen breiter auf.

Alle Zweifel, ob er überhaupt einen blassen Schimmer von Finanzen habe, versuchte Seehofer gleich zu zerstreuen. „Ich bin auch kein Arzt und war acht Jahre lang Gesundheitsminister.“ Doch Söder outete gleich seine Grundkenntnisse in der Finanzpolitik. Er habe als Generalsekretär gemeinsam mit Edmund Stoiber den Grundgedanken des ausgeglichenen Haushalts erarbeitet. Söder, der Mit-Vater des CSU-Credos – dann kann ja nichts mehr schief gehen.

Und noch eine Qualifikation: „Ich hatte Mathe-Leistungskurs und war sehr gut – habe fast mit der Höchstpunktzahl abgeschlossen.“ Na dann. „Hier wartet die Hölle auf ihn“, heißt es in seinem neunen Ministerium. „Zwei mal zwölf Stunden pro Tag knallharte Zahlen.“ Keine schönen Aussichten für Söder, der sich als „Lebensminister“ gerne mal auf Eisbergen oder bei der Rettung bayerischer Singvögel vor italienischen Kochtöpfen am Gardasee ablichten ließ.

Seine Vergangenheit als Krawallo versucht er abzustreifen – wie er sich für’s Sandmännchen stark machte, oder sich aufregte, weil die Wachsfigur von Franz Josef Strauß bei Madame Tussaud nicht richtig platziert war. Schnell wandelte er sich zum ersten Grünen bei den Schwarzen, kämpfte gegen genmanipulierte Lebensmittel und zum Ärger seiner Partei auch gegen den von ihr geplanten Donauausbau. Vielleicht bringt er nun ja auch Bewegung in den Streit um die dritte Startbahn.

Als Finanzminister ist er der Chef-Aufseher des Münchner Flughafens. In Brüssel muss er gleich über die Zukunft der BayernLB verhandeln, was sein Vorgänger nicht abgeschlossen hat. Aber Söder war ja schon mal Europa-Minister. Für ihn geht’s jetzt Schlag auf Schlag: In zwei Wochen kommt der Haushalt 2012. Dann ist Sozialministerin Christine Haderthauer Bittstellerin bei ihm.

Jahrelang hatten sie ihre Rivalität gepflegt. Als er sein Ressort zum „Lebensministerium“ aufpumpte, nannte sie sich „Zukunftsministerin“. Als er eine „Pflegekammer“ plante, bestellte sie einen „Pflegebauftragten“. Als sie kürzlich bei Maybrit Illner zum Burnout talkte, bestellte er sofort einen Burnout-Beauftragten. Von ihm stammt ihr Spitzname „Fury, das Pferd“. Sie sagte über ihn: „Der wird nicht Ministerpräsident.“

Jetzt ist er diesem Ziel einen gewaltigen Schritt näher. Seehofer sagte gestern: „Haderthauer könnte das Amt genauso ausführen.“ Über das Wort „könnte“ wird sich Söder am allermeisten gefreut haben. Dafür überschüttete ihn die Opposition mit Häme. „ Notlösung“, sagten die Grünen. „Offensichtlich hat Seehofer niemand besseren gefunden“, so SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher. Und Seehofer-Herausforderer Christian Ude frotzelt, Söders Kompetenz und Qualifikation in Finanzfragen sei der Öffentlichkeit bisher vollständig entgangen.

 

 

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