So altern die Deutschen

Berlin Wie geht es den Deutschen zwischen 40 und 85 Jahren? Wie zufrieden und glücklich sind sie? Und wie hat sich ihr Leben in den vergangen knapp 20 Jahren verändert? Antworten auf diese Fragen liefert der Deutsche Alterssurvey, den das Zentrum für Altersfragen (DZA) gemeinsam mit Familienministerin Manuela Schwesig am Dienstag veröffentlichte. „Die Angst vor dem Älterwerden schwindet“, erklärt die SPD-Politiker bei der Vorstellung. Ob sie recht hat und was der 416-seitige Altersreport sonst noch über das Leben der Deutschen verrät:
Arbeit
Einige müssen es, weil sie schlicht auf das Geld angewiesen sind, andere tun es, weil ihnen der Job Spaß macht: Heute gehen mehr Menschen vor dem Ruhestand zur Arbeit als noch vor knapp 20 Jahren. Im Jahr 2014 waren 74,1 Prozent der 40- bis 65-Jährigen erwerbstätig, während es 1996 nur 60,2 Prozent waren. Bei den 60- bis 65-Jährigen hat sich der Anteil sogar um 20 Prozent erhöht.
Zudem sind immer mehr Rentner erwerbstätig. Waren es 1996 nur 5,1 Prozent aller Ruheständler, sind es 2014 bereits 11,6 Prozent gewesen. Tendenz weiter steigend.
Dabei klagen immer mehr Menschen über Belastungen im Job. 2014 fühlte sich fast jeder Zweite (47,4 Prozent) zeitlich oder nervlich belastet. 2002 war es noch 43,3 Prozent. Körperlich stark gefordert sieht sich heute knapp ein Drittel (31,2) der Befragten. 2002 waren es 25,3 Prozent.
Doch trotz Stresses ist der Großteil (85,2 Prozent) zufrieden mit seinem Job.
Unruhestand
Obwohl die Deutschen länger arbeiten, gelingt immer seltener ein reibungsloser Übergang in die Rente. So ist laut der Altersstudie der Anteil der 66- bis 71-Jährigen, die bis zum Eintritt in die Rente erwerbstätig waren, zwischen 1996 und 2014 von 62,0 auf 46,6 Prozent gesunken. Umgekehrt hat der Anteil derer zugenommen, die vor dem Ruhestand arbeitslos waren oder in der Freistellungsphase der Altersteilzeit.
Ehrenamt
Den Deutschen wird das Gemeinwohl immer wichtiger. So übte 2014 unter den 40- bis 85-Jährigen fast jeder Vierte (22,2 Prozent) ein Ehrenamt aus. 1996 war es lediglich rund jeder Zehnte. Die Zahl der engagierten Personen hat sich damit verdoppelt. Besonders aktiv sind sie in Seniorengruppen.
Einkommen und Armut
Zwar ist das durch- schnittliche Einkommen beispielsweise der 60- bis 65-Jährigen zwischen 1996 und 2014 um 77 Prozent gestiegen, doch mehr leisten können sich die Senioren deshalb nicht. Grund: Wird die Preisentwicklung miteinberechnet, bleibt die Kaufkraft auf gleichem Niveau. Zugleich geht die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinander. So sind die Einkommen der Hochgebildeten deutlich stärker gestiegen als die der Niedriggebildeten.
Daraus folgt, dass im Jahr 2014 gut ein Drittel der Bürger zwischen 40 und 85 Jahren mit niedrigem Bildungsabschluss armutsgefährdet war (34,8 Prozent). 1996 sind es nur 22,2 Prozent gewesen.
Mit eine Rolle spielen dabei Erbschaften, sie verschärfen die Situation. So erben Personen aus höheren sozialen Schichten deutlich mehr als Menschen aus niedrigeren Schichten.
Gesundheit
Deutschlands Bürger sind nicht unbedingt gesünder, aber auch nicht kränker als noch vor knapp 20 Jahren. Nur die 66- bis 71-Jährigen berichteten 2014 von einem besseren Gesundheitszustand als noch 1996 (plus 12 Prozentpunkte). In den anderen Altersgruppen konnten die Studienautoren keinen vergleichbaren Trend feststellen.
Zudem leidet unter den 40- bis 54-Jährigen bereits knapp jeder Zweite unter mindestens zwei Krankheiten. Bei den 55- bis 69-Jährigen und den 70- bis 85-Jährigen sind es mit 65,5 Prozent bzw. 82,1 Prozent sogar noch deutlich mehr. Niedriggebildete leiden wiederum häufiger an mehreren Krankheiten als Hochgebildete.
Trotzdem fühlt sich die Mehrheit (68,9 Prozent) im Alltag nicht eingeschränkt. Generell bewertet ein Großteil seine Gesundheit als „gut“. Unter den 40- bis 54-Jährigen sind es 64,5 Prozent. Bei den Personen zwischen 55 und 59 Jahren ist es gut jeder Zweite und bei den 70- bis 85-Jährigen sind es 44,6 Prozent.
Sport und Aktivität
Die Deutschen werden immer sportlicher – besonders die Senioren. Waren beispielsweise im Jahr 2008 nur 13,1 Prozent der 78- bis 83-Jährigen mehrmals wöchentlich sportlich aktiv, sind es im Jahr 2014 bereits 23,8 Prozent.
Interessanter Aspekt: Raucher sind deutlich weniger aktiv als Nichtraucher (23,4 zu 40,9 Prozent).
Allgemein griffen 2014 allerdings wieder etwas mehr ältere Menschen zum Glimmstängel als noch 2008. Die Studienautoren führen das auf das veränderte Rauchverhalten von Frauen zurück. Denn der Anteil der Raucherinnen ist zwischen 2008 und 2014 um 3,2 Prozentpunkte gestiegen, während der Anteil der Raucher gleich geblieben ist.
Der tägliche Konsum von Bier, Wein oder Schnaps hänge dagegen nicht mit regelmäßiger sportlicher Aktivität zusammen, so die Autoren.
Pflege
Die Deutschen pflegen häufiger ihre auf Hilfe angewiesenen Mitmenschen. So unterstützten 2014 16,2 Prozent der Bundesbürger zwischen 40 und 85 Jahren einen anderen Menschen. 1996 waren es nur 12,3 Prozent.
Allerdings ist die für die Pflege aufgebrachte Zeit pro Woche von 19,8 auf 10,7 Stunden um fast die Hälfte zurückgegangen. „Der Fokus der Unterstützung liegt zunehmend auf weniger aufwendigen Tätigkeiten wie Hilfe im Haushalt und seltener auf Pflegeaufgaben“, heißt es im Altersreport.
Gestiegen ist wiederum der Anteil derer, die mehr als eine Person pflegen: von 13,1 auf beachtliche 23,8 Prozent.
Gepflegt wird damals wie heute hauptsächlich innerhalb der Familie. So unterstützen im Jahr 2014 17 Prozent den Ehepartner, 36,2 Prozent die Mutter und 13,2 den Vater. Etwa ein Fünftel pflegte nicht verwandte Mitmenschen.
Weiterhin leisten überwiegend Frauen die Pflege.
Glück und Zufriedenheit
Gesundheit, finanzielle Lage, Wohnsituation: Zum Glücklichsein im Alter gehören viele Aspekte – und bei den meisten stimmen sie offenbar. Laut Altersreport sind mehr als drei Viertel der 40- bis 85-Jährigen zufrieden mit ihrem Leben. Außerdem fürchten sie sich weniger vor dem Älterwerden als noch vor rund 20 Jahren.
Glücklicher werden die Deutschen allerdings nicht. Zwar ist der Anteil der Personen mit hoher Lebenszufriedenheit zwischen 1996 und 2002 um sechs Prozenpunkte gestiegen, seither bleibt er aber stabil auf 78 Prozent.
Der Anteil der Menschen mit depressiven Symptomen schwankte in den vergangenen Jahren zwar, ist aber größtenteils ebenfalls stabil geblieben. So fühlte sich im Jahr 2014 etwa ein Drittel der 70- bis 85-Jährigen öfters niedergeschlagen. Bei den 55- bis 69-Jährigen waren es 29,1 Prozent und unter den 40- bis 54- Jährigen sind es 28,6 Prozent.
Ehe und Partnerschaft
Ist die traditionelle Ehe ein Auslaufmodell? Der Report zeigt zumindest Tendenzen in diese Richtung. Während von den 40- bis 54-Jährigen im Jahr 1996 noch 82,6 Prozent verheiratet zusammenlebten, sind es im Jahr 2014 nur 67,4 Prozent. Zudem hat bei den unter 70-Jährigen der Anteil der unverheiratet oder in zweiter Ehe Zusammenlebenden und der Menschen ohne Partner zugenommen.
„Außerdem sind die über 70-Jährigen dank der steigenden Lebenserwartung häufiger verheiratet und seltener verwitwet als 1996“, schreiben die Studienautoren. Gleichzeitig sind immer häufiger sowohl Mann als auch Frau erwerbstätig. So ist der Anteil der „Hausfrauenehen“ seit 1996 von 25,7 auf 15,4 Prozent gesunken. Frauen machen aber weiterhin überwiegend die Hausarbeit (61,1 Prozent).
Kinder und Enkel
Die Deutschen im mittleren Alter haben seltener Kinder. Während die 42- bis 47-Jährigen im Jahr 1996 noch zu 87,2 Prozent zumindest einen Sohn oder eine Tochter hatten, waren es 2014 nur noch knapp 80 Prozent.
Gleichzeitig leben Eltern und Kinder immer weiter entfernt voneinander. 1996 wohnten noch 38,4 Prozent der erwachsenen Kinder im selben Ort oder gar in der Nachbarschaft. 2014 war es nur noch rund ein Viertel.
Trotzdem bleibt der Kontakt unverändert hoch. So haben mehr als 78 Prozent der Eltern mindestens wöchentlich Kontakt zu ihren Kindern und mehr als 88 Prozent der Väter und Mütter beschreiben die Beziehung als „eng oder sehr eng“.
Außerdem werden die Deutschen immer später Opa oder Oma. Während das Alter bei der Geburt des ersten Enkelkindes im Jahr 2008 im Schnitt bei 51,6 Jahren lag, sind werdende Großeltern 2014 fast ein Jahr älter (52,5 Jahre).
Freunde und Einsamkeit
Die Deutschen erweitern ihren Freundeskreis. Hatten die 40- bis 85-Jährigen 1996 durchschnittlich vier Menschen außerhalb der Familie, die ihnen wichtig sind und mit denen sie regelmäßig Kontakt halten, waren es 2014 fünf Personen.
Erfreulich ist zudem, dass besonders die Hochbetagten seltener über Einsamkeit klagen. So ist laut Altersreport der Anteil der 78- bis 83-Jährigen, die sich regelmäßig einsam fühlen, seit 1996 um etwa acht Prozentpunkte gesunken. Bei den 72- bis 77-Jährigen liegt er um fünf Prozentpunkte niedriger. Unter den 42- bis 72-Jährigen ist der Anteil der Einsamen allerdings gleichgeblieben.
Wohnen
Immer mehr 40- bis 85-Jährige leisten sich eine eigene Wohnung oder ein eigenes Haus. Besonders bei den 70- bis 85-Jährigen ist die Eigentümerquote seit 1996 stark gestiegen (von 47,9 Prozent auf 59,7 Prozent). Allerdings ist der Kauf meist auf Raten. So ist der Anteil der Personen mit Immobilie, die ein Darlehen abzahlen müssen, ebenfalls gestiegen.
Außerdem ist die Mietbelastung vor allem für ältere alleinlebende Frauen zwischen 70 und 85 Jahren enorm. Sie müssen 45,2 Prozent ihres Einkommens dafür verwenden. Tendenz steigend.
Der Altersreport
Der Deutsche Alterssurvey hat sich seit 1996 zum fünften Mal mit dem Älterwerden in Deutschland befasst. Das Deutsche Zentrum für Altersfragen (DZA) wertete in der Studie die Aussagen von rund 6000 Teilnehmern aus dem Jahr 2014 aus. Die Befragten waren zwischen 40 und 85 Jahre alt. Der Report gilt als die wichtigste Langzeitstudie zum Älterwerden in Deutschland.