Snowdens Deal - Ströbeles Coup
Hans-Christian Ströbele hat Edward Snowden in Moskau getroffen. Der würde weiter auspacken – wenn er Asyl bekommt
BERLIN So einen Auftritt hatte Hans-Christian Ströbele noch nie. „Mein Gott, jetzt ist es aber gut“, sagte das 74-jährige grüne Urgestein, als das Blitzlichtgewitter in der Bundespressekonferenz nicht enden wollte. Dem US-Sender CNN war der „German Lawmaker“ gar eine „Breaking News“-Eilmeldung wert. Er hatte aber auch einen Knaller zu bieten: sein Treffen mit Edward Snowden in Moskau. Er überbrachte eine Botschaft des 30 Jahre alten Whistleblowers: Snowden ist gerne bereit, für die Deutschen noch mehr auszupacken – wenn er im Gegenzug ein Aufenthaltsrecht in Deutschland bekommt.
Es war ein echter Coup für Ströbele – er ist der erste Politiker weltweit und überhaupt, der Snowden getroffen hat. „Ich hab mir schon im Juni die Frage gestellt, warum fragt man Snowden nicht einfach selbst“, sagt Ströbele. Als seiner Aufforderung unter anderem an die Bundesregierung niemand nachgekommen sei, „hab ich gedacht, ich versuch’s einfach selbst“. Den ganzen Sommer habe er keinen Urlaub gemacht, „weil ich immer auf einer gepackten Tasche saß“. Der Kontakt sei dann abgebrochen, wurde aber jüngst wieder aufgenommen. Warum? „Das will, kann und darf ich nicht sagen“, antwortet Ströbele. Sein Standard-Satz auch auf viele andere Fragen: wie stark die russische Seite eingebunden war, ob Snowden noch bisher unbekannte brisante Informationen hat, wie dessen Plan B aussieht, ob er anderen Ländern ähnliche Angebote macht.
Doch anderes erzählt Ströbele. Drei Stunden lang hat er Snowden in Moskau getroffen und ein Schreiben mitgebracht: „Ich freue mich auf ein Gespräch mit Ihnen in Ihrem Land, sobald die Situation geklärt ist, und danke Ihnen für Ihre Bemühungen, das internationale Recht zu wahren.“ Ströbele sagt, das sei ein Brief an die Bundesregierung. Er liest ihn bei seinem Auftritt am Freitag vor der Bundespressekonferenz vor. Allerdings hat der englische Text keine Anrede und nimmt keinen Bezug auf Deutschland – viele Journalisten halten es für denkbar, dass es eine Art Musterbrief ist wie damals im Sommer, als Snowden in mehreren Ländern Asylantrag stellte. Ströbele wollte dazu nichts sagen.
Doch der Grüne macht auch die Prioritäten des jungen Mannes klar. „Am liebsten würde er vor dem US-Kongress aussagen.“ Er sehe sich überhaupt nicht als Feind Amerikas. Aber er wisse, dass eine Rückkehr in die Heimat „derzeit unwahrscheinlich“ ist. Seine zweitliebste Option sei Deutschland, an Nummer drei steht Frankreich.
„Er hat seine Bereitschaft erklärt, Deutschland bei der Aufklärung zu helfen“, sagt Ströbele. „Er kann sich vorstellen, hierher zu kommen, wenn gesichert ist, dass er danach in Deutschland oder einem vergleichbaren Land bleiben kann und dort sicher ist.“ Eine Aussage vor deutschen Vertretern in Russland komme für ihn nicht in Frage, berichtet der Grüne. „Da hat er Vorbehalte, die ich nicht näher erklären darf und will.“ Bisher war vermutet worden, dass Moskau dahinter steckt, weil es zur Asyl-Bedingung gemacht habe, dass Snowden keine weiteren Informationen preisgibt. Doch der Kreml erklärt gestern, er hätte keine Probleme mit einer Befragung durch deutsche Behörden. Er machte aber gleichzeitig deutlich, dass Snowden sein Asyl verwirkt, sollte er mit freiem Geleit nach Deutschland reisen.
Das heißt, eine Snowden-Aussage gibt es nur gegen ein Bleiberecht. „Jetzt liegt es an uns“, sagt Ströbele. Regierungssprecher Steffen Seibert und Innenminister Hans-Peter Friedrich sagten dazu, man halte eine Vernehmung von Snowden in Moskau für möglich. Ähnlich äußerten sich die SPD. Allerdings ist Snowden selber laut Ströbele nicht dazu bereit. Also kommt nun wieder die Debatte auf, ihm Asyl zu gewähren – das forderte gestern unter anderem Grünen-Chefin Simone Peter. Die Bundesregierung ist seit der Nachricht, dass auch Merkels Handy abgehört wurde, zwar deutlich schlechter auf die USA zu sprechen. Doch ein Asyl für Snowden ist immer noch unwahrscheinlich: Das Auslieferungsersuchen aus Washington liegt schon auf dem Tisch.
Der grüne Politveteran, der als einziger seiner Partei ein Direktmandat für den Bundestag erobert hat, berichtete auch von Details seiner Reise. „Mein Handy, ich hab jetzt so’n Five irgendwas, hab ich im Hotel-Safe gelassen“, erzählt der 74-Jährige. Spätestens jetzt werde er wahrscheinlich von sämtlichen Geheimdiensten abgehört. Und Georg Mascolo, Ex-„Spiegel“-Chefredakteur, der dabei war, erzählte, Snowden sei „freundlich und entspannt“ – „man merkt ihm den Druck überhaupt nicht an“.