Sigmar Gabriel (SPD) in Interview: "4-Tage-Woche und Homeoffice sind doch gaga"

Durch den neuen US-Präsidenten Donald Trump werde eine unruhige Zeit kommen, sagt Ex-Außenminister und Vorsitzender der Atlantik-Brücke Sigmar Gabriel im ARD Interview der Woche. Doch die Welt sei aktuell generell unruhig. "Trump ist eher ein Symptom und nicht der Auslöser."
Europa müsse stärker werden, findet Gabriel. Und auch für Deutschland und den Wahlkampf hat er konkrete Vorschläge parat.
Trump werde als "nützlicher Idiot" missbraucht
Nach Ansicht des Ex-Vize-Kanzlers möchte Trump Europa spalten. Dies sei schon während seiner ersten Amtszeit deutlich geworden, als er als großer Förderer des Brexits aufgetreten sei. Für Donald Trump gebe es lediglich "bilaterale Deals" anstatt internationalen Beziehungen oder Allianzen. Eine Gefahr sieht Gabriel auch darin, dass Trump Tech-Milliardären um sich scharrt. "Politische Macht scheint jetzt käuflich zu sein."
Gabriel nennt Trumps Berater Elon Musk, Paypal-Gründer Peter Thiel und Vize Präsident JD Vance. "Einige von diesen Männern haben die Vorstellung, dass das mit der Demokratie eine blöde Idee ist. Sie finden, die Welt sollte von CEOs regiert werden, eine Art römischer Senat der Edlen – und sie gehören natürlich zu den Edlen – nicht abhängig von so komischen Volkswahlen", so Gabriel. Trump werde im Sinne Stalins als "nützlicher Idiot" missbraucht, um Demokratie zu schleifen.

Die Konsequenz aus alledem: Europa müsse sich neu sortieren und zusammenrücken, meint Gabriel. Weniger Bürokratie und einheitliche Regeln für europäischen Firmen nennt er hierfür als Voraussetzungen.
Damit unterstützt er auch den neuen Wirtschaftsplan für den "rauen globalen Wettbewerb", den EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kürzlich beim Weltwirtschaftsforum in Davos angekündigt hatte.
Weiterhin sollte die EU Kanada vorschlagen, Mitglied der Europäischen Union zu werden, findet der Ex-Außenminister. "Das mag sich erst mal verrückt anhören", sagt Gabriel in dem ARD-Podcast.
"Aber Kanada ist in vielen Dingen europäischer als einige der jetzigen Mitglieder und es erfüllt sofort alle Kriterien. Es liegt bloß nicht in Europa, aber dafür kann man Lösungen finden in den Europäischen Verträgen".
"Deutschland und Frankreich müssen wieder zusammenrücken"
Doch am wichtigsten für den Zusammenhalt in Europa sei es, ein Zentrum zu schaffen und zusammenzufinden "als Kern Europas", bestehend aus Deutschland, Frankreich und Polen. Die Beziehung zu Frankreich sei unter Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) "auf dem Gefrierpunkt angekommen" und müsse nun dringend wiederbelebt werden.
Kann Deutschland etwas aus der Wahl in Amerika lernen? Das will die Radiomoderatorin Evi Seibert in dem Interview wissen. Auch bei uns gebe es eine Sehnsucht, dass Politik endlich mal das halte, was sie verspricht, so Gabriel. Trump stehe derzeit dafür, seine Ankündigungen direkt umzusetzen, auch entgegen aller Regeln.
Parteien der demokratischen Mitte in Deutschland rät Gabriel deshalb, nur Versprechen im Wahlkampf zu machen, die auch bezahlbar seien und eingelöst werden könnten. "Die Bindung zwischen den Bürgern und den demokratischen Institutionen wird immer labiler", so Gabriel.
Das liege auch an dem Umgang mit dem Steuergeld. Er schlägt vor, die Bürger künftig mitentscheiden zu lassen bei der Frage, wohin die Steuergelder fließen sollen. Denn diese könnten sich nicht erklären, warum bei Steuereinnahmen von fast einer Billion Euro nicht genug für Schulen, Polizisten, Verteidigung und Infrastruktur übrigbleibe.
"Wir sind doch ein bisschen verrückt geworden"
Der Ex-Vize-Kanzler kritisiert in dem Interview zudem die Idee des Bürgergeldes und übt Kritik an der SPD, seiner Partei. Diese sei eigentlich immer die Arbeiterpartei gewesen. Ein Sozialstaat sei etwas anderes als ein Sozialhilfestaat. "Wir sind doch ein bisschen verrückt geworden", kommentiert er die aktuelle Lage.
In einem Land, in dem Fachkräftemangel herrsche, gebe es in der Politik Debatten um eine 4-Tage-Woche und das Recht auf Heimarbeit. "Das ist doch total gaga", meint Gabriel.
Man müsse ehrlich zu den jungen Leuten sein und ihnen sagen, "das wird anstrengend". Und weiter: "Wenn wir den sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Standard halten wollen, dann werden 4-Tage-Woche und Homeoffice nicht funktionieren."