Sigmar Gabriel: Das lachende SPD-Phantom

Das vielleicht größte Problem der SPD hat einen Namen: Sigmar Gabriel. Während es für seine Partei einen Umfrageschock nach dem anderen gibt, beherrscht der geschäftsführende Bundesaußenminister die politischen Schlagzeilen deiser Tage. Erst durfte er sich für seinen diplomatischen Erfolg bei der Freilassung von "Welt"-Korrspondent Deniz Yücel aus türkischer Gefangenschaft feiern lassen (AZ berichtete), dann hielt er eine seiner stärksten Reden überhaupt am Samstag bei der Münchner Sicherheitskonferenz.
Darin hat sich Gabriel eindringlich für eine stärkere Rolle Europas in der Welt ausgesprochen. "Europa braucht auch eine gemeinsame Machtprojektion in der Welt", sagte er. Dazu gehöre auch die Bereitschaft, sich militärisch zu engagieren. "Als einziger Vegetarier werden wir es in der Welt der Fleischfresser verdammt schwer haben."
Gabriel begründete seine Forderung vor allem mit einer abnehmendem Rolle der USA in der Welt und einem Erstarken Chinas. Es finde gerade eine "Verschiebung der Weltordnung mit unabsehbaren Konsequenzen" statt. Gabriel beklagte die Unsicherheit, die auf Seiten der USA seit dem Amtsantritt von US-Präsident Donald Trump entstanden sei. "Wir sind uns nicht mehr sicher, ob wir unser Amerika noch wiedererkennen."
Gleichzeitig spiele China eine immer größere Rolle in der Welt. "Mit dem Aufstieg Chinas werden sich die Gewichte in der Welt massiv verschieben", sagte Gabriel. Die "Systemalternative", die China anstrebe, entspreche aber nicht den westlichen Vorstellungen von einer liberalen Weltordnung. "Wo aber die Architektur der liberalen Ordnung bröckelt, werden andere beginnen, ihre Pfeiler in das Gebäude der liberalen Welt einzuziehen, und auf Dauer wird sich dabei das gesamte Gebäude verändern", sagte er.
Daraus ergibt sich für Gabriel die Notwendigkeit eines stärkeren und vor allem geschlossenen Europas: "Für uns Europäer muss klar sein, um in einer Welt von morgen unsere Werte, unseren Wohlstand, unsere Sicherheit zu behaupten, müssen wir zusammenstehen." Die Europäische Union dürfe sich auch nicht durch andere auseinanderdividieren lassen. "Niemand sollte versuchen, die Europäische Union zu spalten: nicht China, nicht Russland, aber auch nicht die Vereinigten Staaten."
Was die aktuelle Sicherheitslage angeht, zeichnete Gabriel ein düsteres Bild. Die Welt steht seiner Einschätzung nach zu Beginn des Jahres 2018 an einem gefährlichen Abgrund. "Berechenbarkeit und Verlässlichkeit sind derzeit anscheinend die knappsten Güter in der internationalen Politik", sagte er. Der Syrien-Konflikt bewege sich nach sechs blutigen Jahren als Bürger- und Stellvertreterkonflikt in eine Richtung, "die akute Kriegsgefahr selbst für unsere engen Partner" bedeute. Zudem könne der olympische Frieden die "brandgefährliche Eskalation rund um das nordkoreanische Atomrüsten" vorerst nur bremsen.
Die Rede Gabriels war mit Spannung erwartet worden, weil nicht klar ist, ob er bei einer Großen Koalition einer neuen Regierung angehören wird. Gabriel selbst hat erklärt, dass er das Amt gerne behalten würde, aber in der SPD-Spitze gibt es Widerstand dagegen. Vor allem seine Rolle bei der Demontage des glücklosen Kanzlerkandidaten Martin Schulz wird ihm vorgeworfen. Andrea Nahles und Olaf Scholz, so heißt es, scheinen jedenfalls nicht mehr mit Gabriel zu planen.