Sieben Sieger werden gesucht

Am Sonntag findet die erste Endrunde im Wahljahr 2011 statt – und die SPD steht mit Olaf Scholz vor einem Auftakt-Triumph. Wie es in den anderen Bundesländern aussieht...
HAMBURG/BERLIN - Jetzt geht’s los: Am Sonntag wählt Hamburg – und damit startet das Superwahljahr mit sieben Landtagswahlen. Am Ende könnte die politische Landschaft auch in Berlin ganz anders als heute: nicht nur rechnerisch im Bundesrat, wo es für Schwarz-Gelb immer dünner wird. Sondern bis hinein in die Schaltzentralen: Kippt Baden-Württemberg, könnte die Luft für FDP-Chef Guido Westerwelle sehr dünn werden. Ein Jahr für neue Optionen; ein Jahr, das zeigen wird, wie stark der Umfrageeinbruch von Union und FDP und der Höhenflug von Rot-Grün auf die tatsächlichen Machtverhältnisse durchschlägt. Deutschland sucht den Superwahljahrsieger.
Die Castings sind abgeschlossen, jetzt kommen die sieben Endrunden: Wer kann am meisten Fans auf sich vereinigen? Und in der ersten am Sonntag dürfte die SPD so gut wie sicher mit 1:0 in Führung gehen: Sie ist in Hamburg uneinholbar stark – anders als im Bundestrend, wo die Größe von Rot-Grün vor allem an den Grünen liegt, während die SPD noch immer bei gut 20 Prozent dahindümpelt. SPD-Spitzenkandidat Olaf Scholz kann bei Prognosen von bis zu 46 Prozent den Regierungspartner frei wählen – falls er denn überhaupt einen braucht, wie er gerne anmerkt: Auch eine absolute Mehrheit ist denkbar. Wenn nicht, sind die Grünen (in Hamburg GAL genannt) sein Wunschpartner. Bei ihnen macht sich allerdings auch eine gewisse Nervosität breit: Nachdem der weltoffene CDU-Regierungschef Ole von Beust hingeworfen und an den eher behäbigkonservativen Christoph Ahlhaus übergeben hatte, ließen die Grünen knapp 100 Tage später das Regierungsbündnis platzen – in der Hoffnung, weg von Ahlhaus hin zu einem roten Partner zu kommen. Dass die SPD es nun alleine schaffen und die Grünen ganz aus der Regierung fliegen könnten, so sah das Kalkül nicht aus.
Auch die FDP bietet sich Scholz als Partner an: Doch erstens ist nicht klar, ob sie es in der Hansestadt überhaupt mal wieder über die Hürde schafft, zweitens hat der zersplitterte Landesverband außer Spitzenkandidatin Katja Suding (35, Spitzname „Westerwelles next Topmodel) kaum vorzeigbares Personal, drittens zieht Scholz die Grünen deutlich vor. Und selbst die CDU hat sich der SPD bereits zu Füßen geworfen und als Juniorpartner einer großen Koalition beworben – ihre einzige Option, überhaupt an der Macht zu bleiben. Die Bundes-CDU hat Hamburg schon verloren gegeben: Bei der Wahl 2008 kam sie mit von Beust auf 42 Prozent, zu Zeiten von Schwarz-Grün lag sie stabil bei 35 Prozent, seit Ahlhaus ist sie bei gut 20 Prozent. Er absolviert noch den Wahlkampf, aber man merkt, wie blank seine Nerven liegen.
Die Wahlkampfmittel waren so beschränkt, dass die Plakate Marke Eigenbau dem Wähler eher Rätsel aufgaben. Etwa: „10 Prozent weniger Arbeitslose. Und nu?“ Nicht hilfreich war auch, dass Ahlhaus – trotz absehbarem Ende der Dienstzeit – seine Villa noch fix auf Steuerzahlerkosten umbauen lässt. Leichtes Spiel für Olaf Scholz. Für den 52-jährigen gebürtigen Hamburger ist es das dritte Comeback: Als SPD-Generalsekretär erklärte er Schröders Agenda 2010 so hölzern, dass man ihn „Scholzomat“ taufte. Als Nachfolger für Franz Müntefering im Amt des Arbeitsministers der großen Koalition war imwesentlichen er es, der mit dem Instrument forcierte Kurzarbeit Deutschland so gut durch die Krise brachtewie kaum ein anderes Industrieland. Und nun scheint es, als ob der spröde Hanseat in seiner Heimatstadt sein Ding gefunden hat: Mit Vernunft, Klarheit, Solidität will er regieren, nüchtern und verlässlich. Und das zieht. Übertragbar ist es nicht unbedingt – Hamburg ist die erste von sieben Wahlen.
Hamburg: Scholzens Sieg
Bisher: Schwarz- Grün, zuletzt unter Christoph Ahlhaus
Wahl: 20. Februar
Der Hauch schwarz-grüner Zukunft ist verflogen, seitdem Olaf Scholz den Herausforderer gibt.
Prognose: Scholz verfehlt die absolute Mehrheit nur ganz knapp.
Sachsen-Anhalt: Böhmers Erbe
Bisher: Große Koalition unter Wolfgang Böhmer
Wahl: 20. März
Ministerpräsident Wolfgang Böhmer hört mit 75 Jahren auf – und dann? Linke-Spitzenkandidat Wulf Gallert will unbedingt neuer Ministerpräsident werden; bislang liegt er mit CDU-Mann Reiner Hasseloff Kopf an Kopf bei etwa 30 Prozent. Die SPD unter Jens Bullerjahn schwächelt.
Prognose: Die große Koalition unter CDU-Führung bleibt
Baden-Württemberg: Merkels Schicksal
Bisher: Schwarz-Gelb unter Stefan Mappus
Wahl: 27. März
Im Ländle wird’s richtig spannend: Für die CDU steht mehr auf dem Spiel als nur ihr Stammland. Wenn Stuttgart verloren geht, wackelt auch Bundeskanzlerin Angela Merkel Stuhl. Und für FDP-Chef Guido Westerwelle gilt analog das Gleiche. Stark seit dem Bahnhofsstreit sind die Grünen mit Winfried Kretschmann.
Prognose: Schwarz-Gelb packt’s nochmal, aber nur ganz knapp.
Rheinland-Pfalz: Becks Finale
Bisher: SPD-Alleinregierung unter Kurt Beck
Wahl: 27. März
Doch, das gibt’s noch: Eine SPD-Alleinregierung in einem Flächenland. Veteran Kurt Beck will nochmal ran, die CDU hat ihm die attraktive, junge Julia Klöckner entgegengestellt. Die steht für Aufbruch, hat aber eine Finanzaffäre amBein.
Prognose: Beide Großen können jeweils gut mit FDP und Grünen, das macht die Vorhersage schwer. Am wahrscheinlichsten: Rot-Grün.
Bremen: Böhrnsens Ruhe
Bisher: Rot-Grün unter Jens Böhrnsen
Wahl: 22. Mai Alles andere als eine SPD-geführte Regierung ist an der Weser schwer denkbar. Böhrnsen regiert unauffällig, er wurde nach Horst Köhlers Flucht als kurzzeitiger Aushilfs-Bundespräsident bekannt. Außer der Tatsache, dass sie mit Rita Mohr-Lüllmann erstmals eine Frau ganz oben hat, hat die CDU im Stadtstaat nicht viel zu bieten.
Prognose: Rot-Grün regiert weiter
M’burg-Vorpommern: Ringstorffs Lücke
Bisher: Große Koalition unter Erwin Sellering
Wahl: 4. September
Nach dem Abschied vom bodenständigen Harald Ringstorff sucht das Land im Osten noch nach charismatischen Führern. Deren Abwesenheit wird die Menschen pragmatisch wählen lassen: zwischen SPD-Sellering und Lorenz Caffier von der CDU. Alle anderen bleiben in der zweiten Reihe
Prognose: Die SPD regiert mit dem pflegeleichtesten Partner – vermutlich wieder der CDU.
Berlin: Künasts Meisterprüfung
Bisher: Rot-Rot unter Klaus Wowereit
Wahl: 18. September
Die Wahl in der Hauptstadt wird richtig spannend, und das liegt an allen, nur nicht an CDU und FDP. Die spielen keine Rolle, dafür geht’s im linken Lager rund. Grünen-Ikone Renate Künast will SPD-Star Klaus Wowereit ans Leder. Der hat zwar gerade wieder Oberwasser, aber seine Mehrheit gilt als verbraucht.
Prognose: Künast schafft’s, mit Wowi als Juniorpartner.