Sie will kein toter Fisch mehr sein
WASHINGTON - Sarah Palin schmeißt hin – mit einem sehr bizarren Auftritt auf einer Mücken-Wiese. Auch die eigene Partei rätselt, was die unberechenbare McCain-Kandidatin nun wieder vorhat. Sie fühlt sich "zu Höherem berufen"
Sarah Palin, die Gabriele Pauli der USA? Mit wirren Begründungen hat die Ex-Vize-Kandidatin von John McCain ihr Amt als Gouverneurin von Alaska hingeworfen. Über ihre Motive rätselt nun ganz Washington. Ihre Erklärung ist: „Nur tote Fische schwimmen mit dem Strom.“
Verkündet hat sie ihre Entscheidung in einer improvisierten Pressekonferenz in ihrem Garten in Wasilla, umschwirrt von Mücken. Sie spricht gehetzt, mit zitternder Stimme – von der kämpferischen Hockey-Mom war nichts mehr zu spüren. Passagenweise klingt die 45-Jährige resigniert: „Ich habe genug von diesem oberflächlichen politischen Blutsport.“ Sie habe ihre fünf Kinder abstimmen lassen, ob sie zurücktreten soll. Alle fünf waren dafür, auch Baby Trig. Also gehe sie jetzt, 18 Monate vor dem Ende ihrer ersten Amtszeit. „Oft werden Gouverneure am Schluss zu lahmen Enten, die nichts mehr durchsetzen konnten. Das wollte ich Alaska ersparen“, sagt Palin.
Dann wirkt sie wieder kämpferisch: „Nun blicke ich nach vorne. Es ist die Zeit, unsere Nation zu größerer Stärke aufzubauen!“, sagt sie. „Ich will außerhalb des Gouverneursamtes für die Zukunft aller Kinder kämpfen.“ Sie verspricht, hart zu arbeiten, und wettert gegen Drückeberger, die vorzeitig aufgeben – die Ironie daran ist ihr offenbar nicht bewusst. „Um General Douglas Arthur zu zitieren: Wir ziehen uns nicht zurück, wir rücken nur in eine andere Richtung vor.“ Die Quelle war allerdings falsch. Schließlich zitiert sie einen Spruch von ihrem Kühlschrank: „Erkläre nichts: Deine Freunde brauchen das nicht, und deine Feinde werden dir sowieso nicht glauben.“
"Narzisstische Persönlichkeitsstörung"
In der US-Hauptstadt waren die Reaktionen völlig ratlos, auch bei den eigenen Republikanern. Einige glauben, dass sie nun das Weiße Haus anpeilt. Howard Fineman, Analyst von MSNBC: „Ich kann erkennen, wenn jemand das Präsidentenamt anpeilt. Sie tut es.“ Statt im fernen Alaska zu sitzen, könne sie nun herumreisen, Reden halten, Kontakte pflegen. Ihre Fans aus der religiösen Ecke sind überzeugt davon: „Nun wird sie zur nationalen Führungsfigur“, jubelt der „Weekly Standard“. Allerdings: „Mit dem Rücktritt geht sie ein hohes Risiko ein. Die Leute mögen keine Hinschmeißer“, schreibt die „New York Times“.
Eine andere Lesart ist ihre Finanznot: Gegen Palin laufen 15 Anzeigen, die Anwaltskosten liegen bereits bei einer halben Million. Mit ihrem Gouverneursgehalt von 125000 Dollar im Jahr ist das kaum zu zahlen. Nun hat sie Zeit für lukrativere Jobs. Einer der Auslöser dürfte auch ein Text aus der neuen „Vanity Fair“ sein: Darin beschreiben McCain-Mitarbeiter sie als „unwillens oder unfähig, sich auf Termine vorzubereiten“, „sprunghaft, launisch und depressiv“. Sie leide an einer „narzisstischen Persönlichkeitsstörung“. tan
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