„Sie haben gewonnen“ – von wegen!

Bayerns Justizministerin Beate Merk warnt vor unseriösen Gewinnmitteilungen. Sie bringen keinen Reichtum, sondern kosten Gutgläubige Geld und Nerven. In der AZ erzählen drei Betroffene. Wie Sie die Abzocker erkennen
Abendzeitung |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
So locken dubiose Geschäftemacher
schmalz So locken dubiose Geschäftemacher

Bayerns Justizministerin Beate Merk warnt vor unseriösen Gewinnmitteilungen. Sie bringen keinen Reichtum, sondern kosten Gutgläubige Geld und Nerven. In der AZ erzählen drei Betroffene. Wie Sie die Abzocker erkennen

In Riesenbuchstaben steht „Sie haben gewonnen!“ auf dem Kuvert. „25000 Euro garantierte Auszahlung!“ Als Marianne Sladky (75) diesen Brief zum ersten Mal in Händen hält, schwankt sie zwischen Staunen und Skepsis. Vom Absender, der „Firma Friedrich Müller, Wien“ hat sie noch nie gehört. „Ich dachte mir nur, wie kommen die auf mich? Ich hab doch kein Gewinnspiel mitgemacht?“ Was traumhaft klingt, ist reine Abzocke – denn um die 25000 Euro ausgezahlt zu bekommen, müssen vermeintliche Gewinner eine teure 0900-Nummer anrufen. Das Geld gibt’s dann immer noch nicht. Dafür aber eine satte Telefonrechnung, weil man minutenlang in Wartenschleifen gelegt wird und pro Einheit 2,99 Euro zahlt.

„Diese unseriösen Gewinnversprechen nehmen immer mehr überhand“, sagt Bayerns Verbraucherministerin Beate Merk (CSU). Der Verbraucherservice Bayern hat die dubiosen Schreiben jetzt erstmals gesammelt und analysiert. Insgesamt 2000 Briefe kamen zusammen, zwei Waschkörbe voll. Vor allem ältere Menschen fallen auf diese Gewinnspiel-Abzocke herein – sie lassen sich von den offiziell-anmutenden Schreiben schnell in die Irre führen. „Als ich gelesen habe, ,Ladung zur Anhörung, dringende Verständigung’, und dann steht da noch ,Rechtsreferat’“, da kann man ja schon einen Schreck kriegen“, sagt Sladky.

"Sie rufen mich sogar nachts an" klagt die Münchnerin Marianna Sladky

Besonders perfide: Wer einmal zurückgerufen hat, wird fortan mit Anrufen und Briefen regelrecht terrorisiert. „Manchmal rufen sie fünfmal am Tag an“, sagt Sladky. „Wenn ich mich ins Bett lege, stöpsel ich das Telefon aus. Die rufen ja sogar nachts an.“ Mit den Briefen kann sie einen ganzen Ordner füllen.

Magdalena Knips aus Freising ist „Friedrich Müller“ vor zehn Jahren das erste Mal auf den Leim gegangen. Noch heute bekommt die 68-Jährige Post. „Das schmeiß’ ich alles weg.“

Friedrich Müller ist das schwärzeste Schaf einer unseriösen Branche. „Denen ist ganz schwer beizukommen“, sagt Tanja Wilkniß vom Verbraucherservice Bayern. „Die Firma ist in zig Gesellschaften aufgeteilt, nutzt fiktive Adressen.“

Der Bundesverband der Verbraucherzentralen hat Friedrich Müller jetzt verklagt, am Dienstag urteilte das Dresdner Landgericht. Danach muss Friedrich Müller Werbeanrufe und Werbebriefe künftig unterlassen. „Aber die Firma wird das Urteil nicht anerkennen und in die nächste Instanz gehen – wie sie es schon so oft in den letzten zehn Jahren gemacht hat“, sagt Kerstin Hoppe von der Verbraucherzentrale.

Menschen wie Marianne Sladky und Magdalena Knips können also nur hoffen, dass die Anrufe irgendwann aufhören. Genauso wie Berta S. Die AZ-Leserin möchte ihren vollen Namen lieber nicht in der Zeitung lesen. „Ich bin sonst das Gespött meiner Kinder“, sagt die 84-Jährige.

Berta S. blieb auf 1400 Euro Telefonrechnung sitzen. „Dabei habe ich doch nur an das Glück geglaubt“, sagt sie. „Ich habe nur sehr wenig Rente – wenn Geld nicht so wichtig wäre, ich hätte da doch niemals angerufen.“

So können Sie sich schützen

Der beste Ort für dubiose Gewinnmitteilungen ist der Papierkorb. Was man tun kann, wenn man Betrügern auf den Leim gegangen ist – die AZ klärt die wichtigsten Fragen.

Woran erkenne ich Abzocker? Fast immer fehlt auf den Schreiben eine Anschrift, oft ist nur ein fiktives Postfach angegeben. In einem Gewinnschreiben fand der Verbraucherservice Bayern als Absender das Verkehrsamt eines Heilbades, das es gar nicht gibt. Weitere Anhaltspunkte: Die Rechtsform (GmbH, AG) fehlt, der Gewinner muss eine Vorleistung erbringen (teure Nummer anrufen, Unkostenpauschale zahlen, Waren bestellen).

Kann ich Gewinne einklagen? Grundsätzlich gilt: Gewonnen ist gewonnen. Wer einen Gewinn zusagt, muss diesen auch leisten. Oft sind die Briefe aber so formuliert, dass Gerichte nichts machen können. „Sie sind für einen Gewinn nominiert“ heißt nicht, dass man gewonnen hat. Der Bundesgerichtshof hat kürzlich entschieden, dass Verbraucher auch dann ihre Gewinne einklagen können, wenn die Firma im Ausland sitzt – wie zum Beispiel bei Friedrich Müller. Problem: Dafür benötigt das Gericht eine existierende Postanschrift mit Straße und Hausnummer, an die Mahnbescheide zugestellt werden können. Die gibt es aber meist nicht. Wenn es zu einer Klage kommt, melden die Firmen häufig Insolvenz an, um der Auszahlung zu entgehen. Sie selbst bleiben dann unter Umständen auf den Gerichtskosten sitzen.

Was kann ich gegen unerwünschte Anrufe machen? Unerwünschte Werbeanrufe sind in Deutschland verboten. Die Bundesnetzagentur kann 0900-Nummern abschalten lassen. Sie kann auch verbieten, dass Anrufe auf diese Nummern in Rechnung gestellt werden. Bereits gezahlte Beiträge können Sie zurückfordern. „Leider ist gerade Friedrich Müller Spezialist darin, sich ständig neue 0900-Nummern zu besorgen“, sagt Kerstin Hoppe von der Bundeszentrale Verbraucherverband. Mehr Infos zur Sperrung von Nummern gibt’s unter www.bundesnetzagentur.de oder 0291-99 55 206. Generell gilt: Gehen Sie sorgsam mit Ihren Daten um!

Warum gibt es keine EU-weite Regelung? Die EU hat viele Mitgliedsstaaten – und viele verschiedene Verbraucherschutz-Standards. Bei einem EU-weiten Gesetz käme es zu einer so genannten „Vollharmonisierung“ – das heißt, aus den Gesetzen aller EU-Länder wird eine Art Mittelding gemacht. „Für uns bedeutet das, dass wir unsere sehr hohen Standards zum Teil aufgeben müssten“, sagt Merk. „Die Rücksendung von Waren auf Kosten des Verkäufers, zum Beispiel beim Versandhandel, die gäbe es dann nicht mehr. Hier wäre eine EU-Regel nicht sinnvoll.“ Merk will sich wegen der Wiener Firma Friedrich Müller jetzt aber mit ihrer Amtskollegin in Österreich treffen.

Annette Zoch

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
0 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.