Sicherheitskonferenz: Stillstand in München

In den USA wird bald gewählt, in Russland auch. Wichtige Entscheidungen können kaum noch getroffen werden. Stillstand daher auch bei der großen Sicherheitskonferenz in München.
München – Richtig kalt war es draußen: Minus 11 Grad. Die Kälte in den gut geheizten Hotelräumen der Sicherheitskonferenz in München war hingegen nur gefühlt. Russlands Außenminister Sergej Lawrow, höflich wie immer, ließ freundlich wissen, dass der Streit um die Raketenabwehr in Europa wohl nicht beigelegt werden könne. Chinas Vize-Außenminister Zhang Zhijun verbat sich energisch Belehrungen über das Wesen der Menschenrechte durch den US-Senator John McCain: Wer sich in Tibet aus Protest selbst verbrenne, habe einfach die großen Fortschritte in China noch nicht erkannt. Ein späterer Handschlag der beiden fiel kurz, knapp und gefühllos aus.
Für Wärme sorgte vor allem US-Außenministerin Hillary Clinton. Sie, in Kuschelwolle gewandet, führte eine amerikanische Charmeoffensive an. „Wenn Präsident Barack Obama sagt, dass Europa der Eckpfeiler unseres Engagements in der Welt ist, dann sind das nicht nur beruhigende Worte. Das ist die Wirklichkeit“, sagte Clinton. Und: „Europa ist und bleibt für uns der Partner der ersten Wahl.“ Da mochte auch Verteidigungsminister Leon Panetta nicht zurückstehen: „Europa bleibt unser wichtigster Sicherheitspartner für militärische Einsätze und diplomatisches Handeln in der Welt.“
Clinton machte deutlich, dass ihr Zuspruch eine Reaktion auf wachsende Zweifel der Europäer sei. Schuldenkrise, drohende Rezession, Wertverlust des Euros und dann auch noch der Abzug Tausender US-Soldaten aus Deutschland wegen leerer Kassen in Washington – Clinton fand, dass aufbauende Worte von fast therapeutischer Eindringlichkeit angebracht waren.
Die großen Krisen blieben in der Warteschleife hängen. Der Atomkonflikt mit dem Iran wurde in der Runde der 350 Politiker, Wissenschaftler und anderer Sicherheitsexperten gelegentlich eher zufällig erwähnt. Und im Streit um die Raketenabwehr der Nato in Europa – der vor allem ein Streit zwischen Washington und Moskau ist - machte Lawrow klar: Nichts bewegt sich, weder jetzt noch in überschaubarer Zukunft. Das große Pokern geht weiter. Und es geht nicht nur um irgendwelche Raketen, es geht um das Verhältnis der beiden Supermächte, um eine drohende neue Eiszeit zwischen Ost und West.
Die Präsidentenwahlen in den USA und in Russland sorgen dafür, dass sich in Sachen Raketenabwehr nichts tut. In Washington darf Obama nicht als nachgiebig erscheinen, in Moskau wird Wladimir Putin erst Anfang Mai wohl sein altes und neues Amt als Präsident antreten. „Bis zum Nato-Gipfel am 20. Mai in Chicago ist eine Einigung dann praktisch unmöglich. Es bleibt keine Zeit mehr“, sagt ein Nato-Diplomat. Das wiederum bedeutet, dass die Nato in Chicago die ersten kleineren Teile der Raketenabwehr für einsatzfähig erklärt - worauf Russland möglicherweise mit neuen Raketen reagieren wird.
„Ich sehe keine Möglichkeit für wirkliche Fortschritte, solange all unsere berechtigten Sorgen missachtet werden“, sagt Lawrow ernst. „Ich sehe kein Ende am Licht des Tunnels.“ Es gebe aber noch etwas Zeit, bevor Russland neue Raketen direkt an den Grenzen zur EU stationieren werde: Dies werde erst geschehen, wenn die Nato-Abwehr „Proportionen erreicht, die Gefahren für unsere Fähigkeit (zum atomaren Zweitschlag) darstellen“. Hinter den Kulissen versuchten die Akteure dann vor allem, aus der Sicherheitskonferenz doch noch das Beste zu machen. Außenminister Guido Westerwelle entschied spontan, länger in München zu bleiben und weitere Gespräche zu führen. Leider, so ließ er wissen, könne er daher nicht wie geplant am Ball des Sports in Wiesbaden teilnehmen.