Sicherheitsexperte sieht keine Anzeichen für russische Intervention
Berlin – Die jüngsten Manöver russischer Streitkräfte lassen nach Ansicht des Sicherheitsexperten Hans-Joachim Schmidt derzeit keine Intervention auf der Krim befürchten. „Natürlich ist die Alarmübung in der gegenwärtigen Situation ein deutliches Zeichen an die ukrainische Seite, die Interessen der Russen auf der Krim im Hinterkopf zu behalten und keine einseitigen Beschlüsse zu fassen, die die russische Seite als Nachteil auslegen würde“, sagte der Wissenschaftler der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (HSFK) am Freitag der Nachrichtenagentur dpa.
Zwar seien an der Übung auch Seestreitkräfte beteiligt, aber eben nur jene der Ostsee- und Nordmeerflotte, und nicht der Schwarzmeerflotte. „Das ist klar ein Signal der militärischen Zurückhaltung. Russland signalisiert, dass es in der Region selbst die Spannungen nicht noch weiter anheizen will. Wenn sie die Schwarzmeerflotte in die Übung miteinbezögen, würde das automatisch militärische Aktivitäten auf der Krim miteinschließen“, sagte Schmidt.
Ein weiteres positives Zeichen sei es, dass nicht der Oberbefehlshaber der Operation diese angekündigt habe, sondern der russische Vize-Verteidigungsminister Anatoli Antonow. „Er ist auch für militärische Vertrauensbildung und Rüstungskontrolle zuständig, was ganz klar bestätigt, dass die Russen hier vertrauensbildend wirken wollen und derzeit zumindest keine Intervention planen“, sagte der Frankfurter Wissenschaftler.
Wirtschaftliche Argumente entscheiden
Gleichwohl dürfe man die Belange der russischsprachigen Bevölkerung auf der Krim nicht aus dem Blick verlieren, warnte der Osteuropa-Experte der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, Ewald Böhlke. Er halte den gegenwärtigen Konflikt aus mehreren Gründen für sehr gefährlich. „Die russischsprachige Bevölkerung fühlt sich durch die neue ukrainische Macht infrage gestellt in ihrer Bedeutung, in ihren Eigenständigkeiten und kommt natürlich permanent zu der Fehlwahrnehmung: Wir haben keine Zukunft in der Ukraine.“
Von den rund zwei Millionen Krim-Bewohnern seien ungefähr 250 000 Krimtataren. „Die sind muslimisch und haben natürlich eine riesige Geschichte und Erfahrung mit Russland, nicht nur durch die schlimmen Vertreibungen 1944, die Stalin angerichtet hat, sondern durch die vielen Konflikte mit den Kosaken und vielen unterschiedlichen Stämmen“, sagte Böhlke. Dass Moskau möglicherweise auf einen Zerfall des Nachbarlandes spekuliere, glaubt Böhlke nicht.
„Der Grund ist: Russland selbst bereitet sich auf Krisenprozesse im wirtschaftlichen Bereich vor und kann natürlich überhaupt nicht die Kraft haben, solch ein Gebiet abzufangen.“ Unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten blicke Russland nicht nur nach Westeuropa, sondern nehme für seine „südlichen Transportkorridore“ auch Iran, Aserbaidschan, die Türkei, Syrien oder andere ins Visier. Moskau schaue, „in welcher Richtung man Alternativen aufbaut, um unabhängiger von Westeuropa zu werden. Insofern mischen sich diese Fragen der Sicherheitspolitik mit Fragen der Rohstoffpolitik und mit der Industriepolitik.“
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