Sepp Daxenberger: Krebs-Drama um seine Frau

MÜNCHEN - Der Grünenpolitiker kämpft selbst seit sieben Jahren gegen unheilbaren Blutkrebs. Jetzt kam auch bei seiner Frau Gertraud der Brustkrebs zurück. Doch die Daxenbegrers geben nicht auf.
Fünf Wochen hat er im Krankenhaus ums Überleben gekämpft, musste sogar acht Tage künstlich ernährt werden. Wieder einmal hat sich Sepp Daxenberger (48) gegen die bösartigen Krebszellen erfolgreich aufgebäumt. Trotz eines weiteren schweren Schicksalsschlages: Auch seine Ehefrau Gertraud (49) ist an Krebs erkrankt. Bei ihr schien bereits alles überstanden, nachdem im Januar 2009 ein Tumor in ihrer Brust entdeckt worden war. Die Behandlung war im Sommer abgeschlossen. Doch jetzt kehrte auch bei ihr die heimtückische Krankheit mit aller Wucht zurück.
Von dem Krebsdrama in seiner Familie lässt sich Bayerns Vorzeige-Grüner nichts anmerken. Gestern kehrte der Fraktionschef nach elf Wochen Auszeit in den bayerischen Landtag zurück. Politik ist sein Lebenselixier. Nach dem Motto: Wer in Bayern einmal die CSU besiegt hat, gibt den Kampf gegen die aggressive Krankheit nicht auf.
Die einst übermächtige Regierungspartei hat der Bauer und Schmied schon 1996 in die Knie gezwungen, als er ausgerechnet dort, wo Bayern am schwärzesten ist, das Rathaus in Waging am See für die Grünen eroberte. Heute gehört „der Sepp“ zu den beliebtesten Politikern Bayerns.
Am vergangenen Samstag hat er seinen 48. Geburtstag gefeiert. Ein besonderer Tag. Denn seit sieben Jahren trotzt er der seltenen Mischung aus Blut- und Knochenkrebs, die bisher als unheilbar gilt. Morbus Kahler heißt sein Feind. Ein Plasmozytom, das die Plasmazellen entarten lässt, zur Blutarmut und Immunschwäche führt und die Knochen angreift.
Aus dem gestandenen Mannsbild ist inzwischen ein zerbrechlicher Mann geworden, der sich beim Treppensteigen schwertut. Manchmal wollte er schon aufgeben. „Es gab Tage, da hab’ ich mir gedacht, wenn ich jetzt einschlaf’ und nicht wieder aufwach’, dann wär’s mir auch recht“, gestand Daxenberger im vergangenen Herbst der AZ. Doch er ist kein Grübler. Und schon gar keiner, der einfach kapituliert. Erst recht nicht jetzt, wo es auch seine Ehefrau erwischt hat.
All die Jahre, in denen er als grüner Guerillero das schwarze Bayern aufmischte, war sie diskret im Hintergrund geblieben. Sie bewirtschaftet mit seinen Eltern den 15 Hektar großen Biobauernhof in Waging am See, erzieht die drei Buben (19, 17 und 12 Jahre). Als Sepp Daxenberger zwölf Jahre lang seinen Heimatort regierte, weigerte sie sich standhaft als „Frau Bürgermeister“ angesprochen zu werden. Die Politik ist das Seine. Der Bauernhof und die Familie das Ihre.
Als im Januar 2009 auch Gertraud Daxenberger an Krebs erkrankte, ist die Familie optimistisch. „Denn Brustkrebs kann man ja heilen“, analysierte der Politiker sofort. Die Operation erweist sich als leicht, die Metastasen können entfernt werden. Es folgt die Chemotherapie. Im Sommer scheint bei Gertraud alles überstanden zu sein. Im November dann geht es ihrem Mann wieder schlechter. Sein Immunsystem ist trotz der Knochenmarkstransplantation, der er sich vor dreieinhalb Jahren unterzogen hatte, geschwächt.
Über Weihnachten wachsen die Krebszellen wieder schnell, fressen neue Löcher in sein Knochengerüst. Die Ärzte versuchen es mit einer Übertragung von Blutplasma des Spenders, von dem auch die Stammzellen stammen, die sie ihm transplantiert hatten. DLI-Therapie nennt man die Behandlung. Im Januar muss er wieder einmal zur Chemotherapie, damit die Behandlung anschlägt. Die Abwehrkräfte seines Körpers spielen verrückt. Daxenberger gerät in Lebensgefahr. „Die Reaktionen meines Körpers sind heftiger ausgefallen, als erwartet“, sagt er ganz emotionslos, als handle es sich um einen Bericht im Landtag. „Aber es hat geklappt.“
Während er um sein Leben kämpft, bekommt seine Frau eine niederschmetternde Nachricht: ein Rückfall! In ihrer Brust sind wieder Metastasen. „Dass die so schnell wieder gekommen sind, macht uns schon Sorgen“, sagt Daxenberger und atmet tief durch. „Aber auch meine Frau ist optimistisch. Das bring ma auch noch hin!“
Viel geändert hat sich in der Familie eh nicht, seit der Doppel-Erkrankung. „Die Buben sind ja schon seit Jahren gewohnt, dass einer in der Familie krank ist und immer wieder ins Krankenhaus muss.“ Reden tun sie über den Krebs daheim nicht. Das Thema ist tabu. „Wir machen lieber Zukunftspläne“, versichert der Sepp. „Das macht mehr Spaß.“ Einen neuen Stall wollen sie bauen. Die zehn Milchkühe abschaffen, weil das tägliche Melken der kranken Gertraud zu viel wird und seine Eltern ja immer älter werden. Auf „Mutterkuhhaltung“ wollen sie jetzt umstellen. Daxenberger: „Wegen der Arbeitsentlastung.“
In den vergangenen Wochen nach seiner dramatischen Therapie hat er es genossen, sich daheim zu erholen und keine Termine zu haben. Vom „süßen Nichtstun“ spricht Daxenberger da fast sarkastisch. „Daheim den Bauern spielen und den Kindern die Arbeit anschaffen.“
Vielleicht hätte er doch Gefallen daran finden können. Doch dann hat ihm Gertraud zugeredet. „Ach, komm! Des wird dir doch schnell zu langweilig.“ Daxenberger grinst: „Wir haben wohl zu oft den Film ,Pappa ante Portas’ angeschaut“, und er macht sich selbst Mut. „Ich hab’ jetzt wieder Oberwasser. Ich hab’ richtig Lust auf Politik.“
Sofort greift er die CSU an. Wegen ihres Energiekonzepts, mit der Verlängerung der Laufzeit von Atommeilern, das sie in einer Vorstandsklausur am Freitag in Kreuth verabschieden will. „Ein Atomkraftrettungskonzept ist das, nichts anderes“, sagt der Grünen-Fraktionschef.
Die unbeherrschbare Energie könnte auch mit Ursache sein, für das Krebsdrama in seiner Familie. Bei Treffen mit Freunden kommt immer wieder die Frage: „Warum gleich alle beide? Reicht es nicht schon, wenn einer so schwer vom Schicksal getroffen ist?“ Dann erzählt Daxenberger, dass er einen „ganzen Haufen Krebskranker“ rund um Waging kennt. Dass vor kurzem erst einer seiner Nachbarn an der heimtückischen Krankheit gestorben sein. Und dass die Ärzte in München immer erzählen, dass es da draußen bei ihm besonders viele Erkrankungen gibt.
Dann muss er an die Katastrophe von Tschernobyl denken. Am 26. April 1986 war die. „Da hat es in der Region von der Tschernobyl-Wolke besonders viel runtergeregnet“, sagt er. Und im April sind die Bauern besonders viel draußen. „Das ist meine These“, sagt er und setzt nach. „Eigentlich ist es nur eine Mutmaßung.“
Angela Böhm