Separatisten trotzen Putin

... oder ist es nur ein Trick? Wechselbad der Gefühle in der Ukraine – jetzt stehen die Zeichen wieder auf Eskalation
Donezk - Ganz kurz blitzte gestern ein Hoffnungsschimmer für die Ukraine auf: Russlands Präsident Wladimir Putin forderte die prorussischen Separatisten im Osten der Ukraine auf, ihr für Sonntag geplantes Unabhängigkeits-Referendum zu verschieben. Das hätte die Lage spürbar entspannt. Doch die prorussischen Kämpfer vor Ort machten nach einer Beratung deutlich, dass sie den Appell ignorieren.
Die beiden selbsternannten „Volksräte“ der beiden Bezirke Lugansk und Donezk hätten beschlossen, an dem Termin für das Referendum festzuhalten, teilte Separatistenführer Miroslaw Rudenko mit. Die Abstimmung unter den drei Millionen Einwohnern der Region würde wie geplant durchgeführt.
Diese Ankündigung machte die vorsichtigen Hoffnungen zunichte, die zuvor aufgekeimt waren. Putin hatte nach einem Treffen mit OSZE-Chef Didier Burkhalter an die Separatisten appelliert, mit dem Votum zu warten, es müssten erst die Bedingungen dafür geschaffen werden.
Unklar blieb gestern, ob die etwas unberechenbaren Separatisten auf eigene Faust handeln und eben selbst auf Moskau nicht mehr hören. Oder ob eine mit Russland abgesprochene Strategie dahintersteckt, nach dem Motto: Putin fordert die Kämpfer öffentlich auf, das Referendum zu verschieben – um angesichts des westlicher Sanktionsdrohungen sagen zu können, er versuche es ja mit Deeskalation. Nur leider habe er nicht genug Einfluss auf die Aktivisten in der Ukraine.
Putin vergleich Führung in Kiew mit Nazis
Auch die ukrainische Regierung setzt nun weiter auf Konfrontation und kündigte an, ihren „Anti-Terror-Einsatz“ fortzusetzen. Seit Tagen versuchen Regierungssoldaten, besetzte Behördengebäude zurückzuerobern. Dabei kommt es zum Teil zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen.
Am Morgen noch hatten sowohl Sprecher der Separatisten wie auch der ukrainischen Regierung Dialogbereitschaft signalisiert. Innenminister Arsen Awakow sagte, man verhandele zwar nicht mit „Terroristen, an deren Händen Blut klebt“, aber mit anderen Vertretern der Separatisten.
Die kurze Hoffnung auf eine diplomatische Lösung – Deutschlands Außenminister Frank-Walter Steinmeier sprach von einem „vielleicht entscheidenden Punkt“ – ist damit vorerst zerstört. Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton kritisierte das Festhalten der Kämpfer am Referendum massiv: „Solche unautorisierten örtlichen Referenden haben keine demokratische Legitimität und führen nur zur weiteren Eskalation.“
Russland hatte am Tag zuvor (zum wiederholten Mal) versprochen, seine Truppen von der Grenze der Ukraine abzuziehen. Mehrere westliche Länder teilten mit, dass es keinerlei Hinweise gebe, dass die Soldaten tatsächlich in Marsch gesetzt werden.
Auch der Tonfall hat sich wieder deutlich verschärft – nicht zuletzt im Rahmen der Gedenkfeierlichkeiten zum Ende des Zweiten Weltkriegs. Putin verglich die neue ukrainische Regierung indirekt mit den Nazis. In seiner Rede zum Sieg über Hitler-Deutschland warnte er vor der „neuen Gefahr eines Faschismus und militanten Nationalismus“. Er warf der Führung in Kiew vor, sich „von solchen Ideologien leiten zu lassen“. „Das Beispiel Ukraine zeigt, dass eine solche verantwortungslose Politik Elend und Verlust bringt.“ Ukraines Regierungschef Arseni Jazenjuk warf Russland den Angriff auf sein Land vor: „Erstmals seit 1941 hat der Feind die Grenze der Ukraine überschritten und einen Teil unseres Staatsgebiets annektiert.“