Seehofers Schlachten
MÜNCHEN/BERLIN - Da sucht einer den Kampf: Der neue Landeschef hat eine Baustelle nach der anderen aufgerissen. Und macht seiner Partei gehörig Dampf
Für die Wähler säuselt Horst Seehofer von der Wohlfühl-Oase Bayern. Seinen Mitstreitern in der CSU präsentiert er eine schwarze Folterkammer. In der ist keine Spur von Weihnachtsfrieden. Statt Plätzchen und Punsch gibt’s Rute und Pfefferspray von Seehofer. Alle werden in der CSU zur Arbeit getrieben – und müssen der Kanzlerin drohen. Denn Horst Seehofer hat nur das kommende Jahr – und zwei Chancen: die Europa- und die Bundestagswahl. Am Montag trifft er sich mit seinen Partei-Vizes und den Bezirksvorsitzenden. Denn seit letzter Woche hat er eine Baustelle nach der anderen aufgerissen. Die AZ dokumentiert:
Bundeswirtschaftsminister Michael Glos.
Der Franke ist gerade 64 geworden und gehört so für Seehofers zum alten Eisen. Er ist dem Parteichef in Berlin zu lasch. Als Glos vorschlug, die Zuschüsse für den Gesundheitsfonds um zehn Milliarden Euro zu erhöhen lehnte Seehofer schroff ab. Wenig später wurde Glos wieder aktiv – mit dem Steuerkonzept der CSU inklusive 25-Milliarden-Entlastung. Von seinem Parteichef bekam er keine Unterstützung. Nur giftige Bemerkungen. Seehofer will Bundeskanzlerin Angela Merkel mit einem Kompromissangebot von zehn Milliarden Entlastung locken. Eigentlich nennt man so etwas Mobbing.
Gestern machte Glos den Gang nach Canossa und säuselte in München: „Das Verhältnis zischen dem Parteivorsitzenden und mir ist ausgezeichnet. Wir telefonieren öfter. Ich habe keine Klagen.“ Und weil alles so toll ist, schlug er Seehofer gleich als Spitzenkandidat für die Bundestagsliste vor. Auch wenn der nicht nach Berlin will. Glos: „Das ist egal. Bisher war jeder Parteichef Spitzenkandidat.“ Und dann macht er das, was Seehofer von ihm verlangt: Er reitet eine Attacke auf Bundeskanzlerin Angela Merkel: „Wir wollen nicht immer nur Kleckern, sondern auch mit Klotzen kommen.“
Landesgruppenchef Peter Ramsauer:
Der hat gestern seine Hausaufgabe, die ihm Seehofer aufgegeben hat, brav gemacht. Er polterte in Berlin und drohte der Union sogar mit einem Veto beim Konjunkurpaket (siehe unten) und einem eigenen CSU-Wahlprogramm zur Bundestagswahl, wenn Bundeskanzlerin Angela Merkel weiterhin so stur bleibe. Seehofer hatte Ramsauer vorgeworfen, er zeige in Berlin nicht deutlich Flagge für die CSU.
CSU-Europagruppenchef Markus Ferber.
Der mächtige Bezirksvorsitzende von Schwaben hatte nach der Wahlniederlage in Bayern als einer der ersten sofort die Seiten gewechselt und war zu Horst Seehofer übergelaufen. Ferber hoffte auf ein Ministeramt in München. Doch der Ruf kam nicht. Dafür jetzt die Schelte. Der Parteichef legt es auf ein offenes Zerwürfnis an, stellt den Chef der CSU-Europaabgeordneten öffentlich in Frage. Manchen sei der eigene Listenplatz „wichtiger als der Erfolg der CSU“, giftete er. Seehofer will Monika Hohlmeier als Zugpferd für die Europa-Wahl. Ferber zur AZ: „Ich bin locker und gelassen. Bei meinen Gesprächen mit Herrn Seehofer habe ich ihn immer so verstanden, dass ich die Liste anführe.“ Er traue sich zu ein bestmögliches Wahlergebnis zu erreichen. Ferber: „Mein Name ist nicht negativ belastet.“
Monika Hohlmeier
Mit ihrer Versetzung nach Oberfranken wollte Seehofer den großen Coup landen und mit der Strauß-Tochter die Liste zur Europawahl kräftig aufmotzen. Doch das ging gründlich schief. Die Oberfranken machen einen Aufstand.
Karl-Theodor zu Guttenberg
Er galt als der neue Superstar der CSU. Der Generalssekretär stand für den neuen Stil mit Dialog und Basisbeteiligung - und einem Friedensschluss der Franken und Oberbayern. Doch mit seiner Nacht- und Nebelaktion mit Hohlmeier hat er sich als Vollstrecker von Seehofer entpuppt und seinem Image Kratzer verpasst.
Angela Merkel.
Bundeskanzlerin Angela Merkel. Auch außerhalb der CSU sucht Seehofer den Kampf – mit der mächtigsten denkbaren Gegnerin: Bundeskanzlerin Angela Merkel. Ob nun bei Konjunkturpaket, Steuern, Gesundheitsfonds oder Erbschaftssteuer.
Angela Böhm