Seehofers Regierungserklärung: Altes Projekt, neu aufpoliert
In seiner Regierungserklärung sagt Seehofer, was er alles machen will - jetzt aber wirklich
MÜNCHEN Ein Mann, drei Worte: „Bayern. Die Zukunft.“ So überschreibt Horst Seehofer seinen politischen Kurs für die nächsten fünf Jahre. Bei seiner ersten großen Regierungserklärung 2008 hatte er dafür noch länger gebraucht: „Zukunft gemeinsam meistern – mit Mut und Selbstvertrauen“, hatte der Ministerpräsident damals als Devise ausgegeben. Gemeistert aber hat er nicht alles.
„Wir werden flächendeckend Ganztagsschulen in allen Schularten anbieten“, hat er damals versprochen. Daraus geworden ist nichts. Nun gelobt er: „Bis 2018 gibt es in allen Schularten für jeden Schüler bis 14 Jahre ein bedarfsgerechtes Ganztagsangebot.“
Das schnelle Internet sollte schnell im ganzen Freistaat kommen. Seehofer 2008: „Wir werden dafür sorgen, dass spätestens in drei Jahren die Bürger überall in Bayern Zugang zum schnellen Internet haben.“ Das wäre 2011 gewesen. Bei seiner Regierungserklärung 2013 kündigt er nun den „digitalen Aufbruch“ an, bei dem Bayern zur „Leitregion“ werden solle. Seinen Zeitplan von 2008 muss er gleich um sieben Jahre korrigieren. 2018 ist nun als Ziel anvisiert. In Computer-Zeiträumen sind das Welten.
Aber daran soll an diesem Dienstag im bayerischen Landtag niemand mehr erinnert werden. „Wir haben alles realisiert, was wir angekündigt haben“, behauptet Seehofer eiskalt.
Offensichtlich aus Mangel an anderen Themen polierter er bei seinem neuen Zukunftsprogramm nun eines seiner alten Lieblingsprojekte neu auf: die Volksbefragung (siehe Seite 2). In vier Monaten sind Kommunalwahlen, da will Seehofer die Wähler mit einem schönen Zuckerl locken, ihr Kreuz bei der CSU zu machen. Vor allem in den beiden SPD-regierten Großstädten München und Nürnberg glaubt er sich mit mehr Bürgerbeteiligung voll im Zeitgeist. Einen Monat später steht schon die Europawahl an.
„Bayern ist das Land des wertorientierten Bürgersinns“, säuselt der Regierungschef gleich zu Beginn seiner Rede: „Genau deshalb kämpfe ich so leidenschaftlich dafür, Politik für die Menschen und gemeinsam mit den Menschen zu gestalten.“
Der Koalitionspartner für den bayerischen Alleinherrscher sollen nun die Menschen sein. „Koalitionen mit den Bürgerinnen und Bürgern – das ist für mich Fundament und Auftrag unserer Regierungspolitik“, flötet er.
Den Bürgerinnen und Bürgern, die dann aber nicht so entscheiden, wie er es sich vorstellt, ob bei Olympia oder dritter Startbahn, erteilt er gleich eine saftige Rüge: „Wer das Beste erhalten will, muss Landeplätze für die Zukunft bauen statt Bunker für die Verteidigung der Vergangenheit.“ Seehofer warnt vor wohligem Besitzstandsdenken, das sich breitmache und fordert „globalen Weitblick“.
Da greift der Herrscher über den schönen Freistaat zu Zuckerbrot und Peitsche. Gleich umgarnt er seine Untertanen wieder. Mit den Bürger- und Volksentscheiden in Bayern hätten sie längst bewiesen: „Wir können Demokratie und Beteiligung.“ Sein Ziel: „Wir machen den Freistaat zum Vorbild für den modernsten Bürgerstaat des 21. Jahrhunderts!“
Alle Bayern sollen künftig bei großen Infrastrukturprojekten beteiligt werden. Über die dritte Startbahn am Münchner Flughafen, die die Bürger abgelehnt haben, während sie die Staatsregierung unbedingt haben will, sagt er nichts. Dafür plädiert Seehofer für den Ausbau der ebenso umstrittenen zweiten Stammstrecke in München.
Und wieder hat Seehofer von der SPD abgeschrieben: „Volksbegehren und Volksentscheide sind in Bayern eine sozialdemokratische Erfindung“, stellt Oppositionsführer Markus Rinderspacher klar. Wilhelm Hoegner habe diese direktdemokratischen Elemente nach dem Krieg aus dem Schweizer Exil mit nach Bayern gebracht, gibt der SPD-Fraktionschef eine kleine Nachhilfe in Geschichtsunterricht. „Sie sind seit 1946 in der Bayerischen Verfassung verankert und haben sich bewährt.“
Nun solle Seehofer endlich Schluss machen mit seinen Sonntagsreden. Rinderspacher: „Machen Sie ernst, wagen Sie mit uns mehr Demokratie und bringen Sie mit uns gemeinsam Volksbegehren und Volksentscheid auf den aktuellen Stand der Zeit. Das ist überfällig.“