Seehofers neue Steuer-Volte

Der CSU-Chef denkt wieder mal um: Jetzt doch keine schnellen Steuersenkungen - wegen der Krise. Kanzlerin Angela Merkel wirbt noch tapfer dafür. Das Thema Abgaben wird immer wichtiger im Wahlkampf
von  Abendzeitung
Doch nicht genug Geld da? Horst Seehofer machte Steuersenkungen nun erstmals vom Wirtschaftswachstum abhängig.
Doch nicht genug Geld da? Horst Seehofer machte Steuersenkungen nun erstmals vom Wirtschaftswachstum abhängig. © dpa

BERLIN - Der CSU-Chef denkt wieder mal um: Jetzt doch keine schnellen Steuersenkungen - wegen der Krise. Kanzlerin Bundeskanzlerin Angela Merkel wirbt noch tapfer dafür. Das Thema Abgaben wird immer wichtiger im Wahlkampf

Überraschender Kurswechsel von Horst Seehofer: Der CSU-Chef ist in Sachen Steuersenkungen zurückgerudert. Erstmals macht er sie davon abhängig, dass die Wirtschaft wieder wächst. Gleichzeitig wurde auf zahlreichen Wahlveranstaltungen am Wochenende deutlich, dass das Steuerthema immer stärker zum großen Thema des Wahlkampfs wird. Bundeskanzlerin Angela Merkel pries Steuersenkungen als richtigen Weg aus der Krise.

Als vergangene Woche bekannt geworden war, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel sich im CDU-Präsidium gegen Entlastungen in der ersten Hälfte der neuen Legislaturperiode ausgesprochen hat, hatte die CSU noch entrüstet reagiert: Steuersenkungen müssten gleich zu Beginn kommen.

"Nicht über Jahre reden"

Nun rudert die CSU selbst zurück. „Steuersenkungen müssen kommen“, sagte Parteichef Horst Seehofer am Wochenende. Aber mit dem Zusatz: „Wenn wieder Wachstum herrscht.“ In Sachen Termin „möchte ich weniger über Jahre reden“. Mit guter Politik könne es gelingen, so Seehofer, „dass es in überschaubarer Zeit“ wieder Wachstum gibt. Dann könne es Entlastungen geben.

Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg sekundierte: „Es ist völlig verwegen, in einer solchen Zeit über konkrete Zeitpläne für milliardenschwere Steuergeschenke zu spekulieren.“

Ramsauer hat die Kehrtwende offenbar verpasst

CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer hatte den Schwenk in München offenbar nicht rechtzeitig mitbekommen: Er kündigte noch am Wochenende ein 100-Tage-Programm inklusive Unternehmens- und Erbschaftsteuersenkung an.

Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel selbst machte bei einem Wahlkampfauftritt am Wochenende rasche Steuersenkungen zu ihrer zentralen Botschaft: „Nur mit Entlastungen gelingt der Weg aus der Krise!“ Auf einen Termin legte sie sich nicht fest, doch wurde deutlich, dass sie die Pläne nicht erst nach der Krise ins Auge fasst, sondern schon als Mittel dagegen.

FDP macht Steuersenkungen zur Bedingung für eine Koalition

Laut „SZ“ hat sie in internen Sitzungen eingeräumt, dass sie das Steuerthema auf Drängen der CSU fährt. Außerdem machte sie ihren Unmut über CDU-Politiker deutlich, die Kritik daran äußern – das sei „brandgefährlich“. Baden-Württembergs Ministerpräsident Oettinger ließ sich davon nicht abhalten, gestern zu erklären, Steuersenkungen vor 2012 seien „undenkbar“.

Die FDP allerdings will so schnell wie möglich Steuersenkungen – sie machte dies ausdrücklich zur Bedingung für eine Koalition. Die Liberalen präsentierten sich auf ihrem Parteitag, der am Wochenende zu Ende ging, ohnehin so kraftstrotzend wie lange nicht mehr. Sie beschloss einstimmig, die Koalitionsaussage bis eine Woche vor der Bundestagswahl im September offen zu halten – mit der klaren Botschaft an mögliche Koalitionspartner, sich nun noch stärker auf die FDP zuzubewegen. Dadurch haben die Bündnisspekulationen neue Nahrung erhalten.

SPD sieht gute Chancen für die Ampel

Parteichef Guido Westerwelle zeigte sich kraftstrotzend wie selten zuvor: Mit einem Rekordergebnis wurde er im Amt bestätigt; auf der politischen Bühne wird seine Partei von der Union für Schwarz-Gelb gebraucht – und von der SPD für eine mögliche Ampel. Westerwelle machte deutlich, dass ein Bündnis mit CDU/CSU sein Wunsch wäre. Aber: Er werde sein Nein zu einer Ampel „auch nicht mit Blut an die Wand schreiben“. Auch mit der derzeitigen Politik der Union gebe es Probleme, so der FDP-Chef: „Wir kämpfen für uns und nicht dafür, dass jemand Kanzlerin bleibt.“

Die SPD reagierte beglückt. Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier sagte, er sehe viele Übereinstimmungen mit der FDP: „Westerwelle war klug und erfahren genug, beim Parteitag eine Ampel nicht auszuschließen.“ Fraktionschef Peter Struck sagte, er sehe nun gute Chancen für die Ampel.

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