Seehofers Freud, Seehofers Leid

Die CSU inthronisiert Horst Seehofer als Kandidaten für den Posten des Regierungschefs – aber die Fraktion watscht ihn gleichmal ab. Wie stark ist der neue starke Mann wirklich?
von  Abendzeitung
Der Alte und der Neue: Noch-CSU-Chef Erwin Huber strahlt gestern nach der Vorstandssitzung den neuen – und größer gewachsenen – Alles-Macher Horst Seehofer an.
Der Alte und der Neue: Noch-CSU-Chef Erwin Huber strahlt gestern nach der Vorstandssitzung den neuen – und größer gewachsenen – Alles-Macher Horst Seehofer an. © Reuters

MÜNCHEN - Die CSU inthronisiert Horst Seehofer als Kandidaten für den Posten des Regierungschefs – aber die Fraktion watscht ihn gleichmal ab. Wie stark ist der neue starke Mann wirklich?

Es ist sein ganz persönlicher Triumphzug. Wie bei der Oscar-Verleihung in Hollywood zieht der designierte CSU-Chef und bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer um 10.30 Uhr in die Landesleitung in der Nymphenburger Straße ein. Einen Laufsteg haben sie für ihn vorbereitet. Die Journalisten müssen hinter Gitter. So wie bei den großen Filmstars, die sich dann aussuchen, vor welcher Kamera sie stehen bleiben. Nur der rote Teppich fehlt. Und die große Ernüchterung, die am Nachmittag auf ihn wartet, ahnt noch keiner.

Es sind graue, schmutzige Pflastersteine, über die der künftige Bayern-Regent schreiten muss. Als wären sie der Vorgeschmack auf all das, was auf ihn zukommt. „Ich habe heute Nacht unruhig geschlafen. Ich bin noch angespannt“, sagt Seehofer. Vielleicht hatte er es doch schon ein bisschen gefühlt. Im Landtag ist sein Triumphzug um 13.45 Uhr schon beendet. Die Fraktion schießt dem künftigen Regenten gleich eine vor den Latz. 16 der 92 CSU-Abgeordneten verweigern ihm die Gefolgschaft. Zehn von ihnen stimmen mit nein. Sechs enthalten sich der Stimmen. Nur 76 der CSU-Abgeordneten stehen zum künftigen Ministerpräsidenten. Das sind 82,6 Prozent.

Ein Neuanfang allerdings sieht anders aus. Das weiß auch Horst Seehofer. Für ihn bedeutet das einen Warnschuss. Er kann sich seiner Mehrheit im Landtag nicht sicher sein. Der starke Mann der CSU könnte also ist im Parlament ganz schön schwach aussehen. Ohne eine geschlossene CSU-Fraktion. Die will sich offensichtlich nicht mehr zum Abnicken degradieren lassen. Das haben ihm die Abgeordneten mit ihrer Abstimmung schon mal deutlich gemacht. Und: Dass er sein künftiges Kabinett nicht zimmern kann, wie er will. Schon gar nicht mit einer Frischblut-Infusion von außen, mit jungen Abgeordneten aus Berlin.

Dabei hat Seehofer doch schon am Vormittag die Botschaft ausgesendet: „Basta wird’s bei mir nicht geben. Befehl und Gehorsam wird’s nicht geben. Ich will eine lebendige, frische Volkspartei.“ Von der sich aber die Fraktion offensichtlich doch nicht so gerne dreinreden lässt. Innenminister Joachim Herrmann ist jetzt Seehofers Schattenmann. Er setzt nach seiner bedingten Kapitulation gleich Zeichen. Die politische Nachricht des Tages verkündet nicht der Ministerpräsident in spe, sondern er, Joachim Herrmann: „Beim Rauchverbot haben wir Fehler gemacht. Das wird korrigiert.“ (Seite 2)

Die Gräben zwischen den bayerischen Stämmen

Die Gräben, die in der Fraktion aufgerissen wurden, sind groß – zwischen Franken und Altbayern. Der Hass richtet sich gegen die Oberbayern und ihren Lenker Edmund Stoiber. Die versuchen noch bis zur letzten Sekunde, die Wahl des Fraktionsvorsitzenden zu verhindern. Auch Georg Schmid, der Vater des strengsten Rauchverbots der Republik, soll als letzter der Führungs-Quadriga fallen. Er ist morgens sichtlich angeschlagen. Bringt nur ein gequältes „Ja“ heraus, als er gefragt wird, ob er sich nachmittags von der CSU-Fraktion zum Vorsitzenden wählen lassen will.

Doch der „Schüttel-Schorsch“ kann seine Truppen hinter sich sammeln und als einziger seinen eigenen Kopf retten. Seine Schwaben verbünden sich jetzt mit den Franken, Niederbayern und Oberpfälzern gegen die Oberbayern. 72 Abgeordnet hat er am Ende auf seiner Seite und wird damit 80,9 Prozent wieder zum Fraktionsvorsitzenden gewählt. Er bekommt 17 Gegenstimmen.

Wie schön war es doch da morgens in der Landesleitung für Seehofer. Einstimmig nominierte ihn der CSU-Vorstand zum Parteichef. „Alles sehr harmonisch, fast feierlich“, meldete Landesgruppen-Chef Peter Ramsauer danach. Kanzlerin Bundeskanzlerin Angela Merkel gratuliert: Seehofer sei „die geeignete Persönlichkeit, die CSU in die Bundestagswahl, in die EU-Wahl und in eine gute Zukunft Bayerns zu führen“. Dabei läuft alles ganz geschäftsmäßig. Statt Sekt gibt’s Selters und Fleischpflanzl mit Kartoffelsalat – und geraucht werden darf nicht. Statt gefeiert wird zur Tagesordnung übergegangen und über Erbschaftssteuer und Finanzkrise diskutiert. Dabei geht Seehofer gleich mal Richtung Berlin in die Offensive. Er sagt der großen Koalition den Kampf an und droht offen mit einem kompletten Scheitern der Erbschaftssteuerreform. „Wir wollen keine bürokratischen Ungeheuer. Dann stimmen wir eben nicht zu.“

Angela Böhm

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