Seehofers dritter Bildungsweg
MÜNCHEN - Auf der neuen Webseite frisiert die CSU den Lebenslauf ihres Chefs – angeblich aus Versehen.
Mehr Schein als Sein: Die CSU-Zentrale plusterte den Lebenslauf ihres Vorsitzenden Horst Seehofer jetzt kräftig auf. Auf der neu gestalteten Webseite www.horst-seehofer.de machte die Partei ihren Chef in dessen Lebenslauf ganz unauffällig zum Diplom-Volkswirt. Damit wäre der bayerische Ministerpräsident wie seine Vorgänger Akademiker. Aber der Sohn eines Lastwagenfahrers aus Ingolstadt hat in Wirklichkeit nie ein Hochschulstudium absolviert. Der Diplom-Volkswirt war von seinem Vorgänger Erwin Huber geklaut.
Dabei hätte es so gut in Seehofers Vita ausgeschaut. Darin hieß es: „1973 bis 1978 Studium der Volkswirtschaftslehre. Diplom-Volkswirt.“ Ein plumper Fälschungsversuch des Lebenslaufs? Oder haben sich die Referenten der Landesleitung, die fast alle Hochschulabschluss haben, noch nicht daran gewöhnt, dass ihr neuer Chef nach der Mittleren Reife eine Verwaltungslaufbahn bei den Landratsämtern Ingolstadt und Eichstätt einschlug und „nur“ ein Diplom an der Verwaltungs- und Wirtschaftsakademie erreichte?
Bisher war nämlich in der CSU-Landesleitung Universitätsbildung geradezu gepflegt worden: Der Metzgerssohn Franz Josef Strauß brillierte mit seiner humanistischen Ausbildung. Sein Nachfolger, der Bauernsohn Theo Waigel, ist promovierter Jurist. Edmund Stoiber gibt sich gerne als Einser-Jurist, obwohl er den Einser gar nicht hat. Und Erwin Huber, der Sohn einer alleinerziehenden Tagelöhnerin aus Niederbayern, schaffte es immerhin über den Zweiten Bildungsweg an die Ludwig-Maximilians-Universität.
Als die AZ in der CSU-Landesleitung nachfragte, ob Seehofer über Nacht ein Studium absolviert hat, herrschte zunächst Ahnungslosigkeit. CSU-Sprecher Hans Michael Strepp: „Das müssen wir erst klären.“ Doch in Windeseile wurde Seehofers Lebenslauf korrigiert. Strepp gestern zur AZ: „Es handelt sich um ein bedauerliches Versehen, das sich in der Rückschau nicht mehr aufhellen lässt.“
Angela Böhm