Seehofers Baustellen

Es läuft nicht alles rund am Hofe von König Horst – Strom, Lehrer und Party-Landräte sorgen für Ärger
Angela Böhm |
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MÜNCHEN Eigentlich hätte Horst Seehofer als Bayerns neuer Alleinherrscher ruhig und gelassen dahinregieren können. Doch am Hofe von König Horst herrscht das Chaos: Die geplanten Hochspannungsleitungen setzen den Ministerpräsidenten unter Strom. Bei den Lehrerstellen geht’s zu wie beim Hütchenspiel. Der neue CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer entpuppte sich als Doktorlein. Und der Präsident des Landkreistags und Miesbacher Landrat, Jakob Kreidl, genießt Narrenfreiheit. Der darf sich ungestraft einen Doktortitel erschwindeln und 120000 Euro zu seinem 60. Geburtstag verprassen. Die AZ dokumentiert Seehofers Baustellen.
 

Energiewende

Große Stromautobahnen sollen den Freistaat mit Windenergie aus dem Norden versorgen, wenn 2022 das letzte Atomkraftwerk in Bayern vom Netz geht. Im April 2013 hat Seehofer den Trassen im Bundestag zugestimmt, im Juni im Bundesrat. Im Januar bei der CSU-Klausur in Kreuth forderte seine Energieministerin Ilse Aigner noch, dass die schnell kommen müssen. Doch vor zwei Wochen traf sich Seehofer mit den Landräten. Inzwischen informiert der Netzbetreiber Amprion die Bürger, wo die geplanten Trassen verlaufen könnten. Seitdem ist alles anders. Die Betroffenen vor Ort demonstrieren. Es fallen Worte wie „Wahlbetrüger“, „Heimatzerstörer“ und „Wackersdorf“. Dort lieferten sich in den 80er Jahren Gegner der geplanten Wiederaufbereitungsanlage eine blutige Schlacht mit der Staatsmacht. Sofort stellte sich Seehofer auf die Bremse und an die Spitze der Protestbewegung. Bis zum Sommer soll nun Ruhe sein und die Trassen überdacht werden. Dann sind Kommunal- und Europawahl gegessen und drei Jahre abstimmungsfrei bis zur nächsten Bundestagswahl im Herbst 2017.

Zahlenspiele bei den Lehrern

Schon wieder muss sich Seehofer das ungeliebte Wort „Wahlbetrug“ anhören. „Wir gehen in Bayern nicht den Weg anderer Länder, die den Personalstand im Bildungswesen zurückfahren. Wir garantieren vielmehr den bayerischen Schulen, dass auch bei sinkenden Schülerzahlen die freiwerdenden Lehrerstellen vollständig im Bildungssystem belassen werden.“ So steht es im „Bayernplan“, Seehofers Wahlprogramm. Der Doppelhaushalt 2013/ 2014 aber zeigt, dass die Staatsregierung längst die Streichung von knapp 800 Lehrerstellen eingeplant hat. Kultusminister Ludwig Spaenle gab das ehrlich zu. Ein fataler Fehler. Von Seehofer bekam er dafür eine scharfe Abmahnung. Spaenle solle sich nicht in Einzelzahlen verstricken, sondern die großen Ziele darstellen. Dann wurden die Zahlen so durcheinander gewürfelt, dass sich nicht mal mehr die CSU auskennt. Jetzt zieht Seehofer die Notbremse: Er will Ruhe  beim Thema Bildung vor der Kommunalwahl. Alle Lehrerstellen bleiben bis 2018.

Dünnbrettbohrender General

Auch Andreas Scheuer scheint sich nicht überall so richtig auszukennen. Zum Beispiel bei seinem kleinen Doktortitel, mit dem er sich groß machte. Weil er den nur in Bayern und in Berlin tragen darf, verzichtet er jetzt ganz darauf. Schon bei seiner Doktorarbeit in Prag, die gar keine richtige ist, hatte Scheuer Probleme – vor allem mit Zahlen. So bilanzierte er in seinem Werk: „Während von 1951 bis 1990, also in 49 Jahren...“ Oder schrieb von der „Bundestagswahl 2003“. Die war aber 2002 und CSU-Chef Edmund Stoiber Spitzenkandidat. Alles Petitessen. Dafür weiß Scheuer, wie man Wählerstimmen zieht: als Wohltäter. Er hat 2011 den Verein „Herzpartie“ gegründet. In dem gibt er sich als Geldbote von Spendern, die „ungenannt bleiben wollen“. Vielleicht wollen die ja nur Gutes tun für „den Andi“. Und Seehofer schaut zu.


Schamloser Landrat

Der tut nur Gutes für sich selbst. Sein Doktortitel wurde Jakob Kreidl von der Bundeswehr-Uni in München aberkannt, weil er fast komplett abgeschrieben hatte. Seine Frau hatte er als Landtagsabgeordneter auf Steuerzahler-Kosten für 1500 Euro monatlich angestellt. Zu seinem 60. Geburtstag ließ er sich für 120000 Euro feiern. 77265,89 Euro finanzierte die Sparkasse Miesbach, deren Verwaltungsratschef Kreidl ist. 33217,42 Euro übernahm sein Landratsamt. 7639,69 Euro zahlte der Herr Landrat selbst. Seehofer ließ das lange durchgehen und schwieg. Er war mit seiner Kronprinzessin Ilse Aigner, zu deren Wahlkreis Kreidl gehört, als Ehrengast auf dem teuren Geburtstagsfest. Einen gemeinsamen Wahlkampftermin mit Kreidl aber sagte er jetzt ab. Zu dem Sponsoring immerhin erklärte er, die Begründung sei „abenteuerlich“ .

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