Seehofers Abschied von der absoluten Mehrheit

Nach der Abzocker-Affäre glaubt der CSU-Chef nicht mehr an eine absolute Mehrheit für seine Partei bei der nächsten Landtagswahl – und setzt auf eine Neuauflage von Schwarz-Gelb
Georg Thanscheidt |
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MÜNCHEN Absolute Mehrheit ade! Angesichts miserabler Umfragewerte nimmt Ministerpräsident Horst Seehofer Abschied vom traditionellen CSU-Projekt „50 plus x“. Seine Kabinettskollegen hatte er schon davon unterrichtet, dass die Christsozialen durch die Abzocker-Affäre im Landtag regelrecht „abgeschmiert“ seien.

Nun räumt er auch öffentlich ein, dass die CSU die Chance auf eine absolute Mehrheit bei der Landtagswahl im September verspielt hat und es nun lediglich darum geht, die schwarz-gelbe Koalition an der Macht zu halten. „Ich möchte die ungewöhnlich erfolgreiche Koalition mit der FDP fortsetzen“, sagte Seehofer der „Welt am Sonntag“. Er strebe keine absolute Mehrheit an. „Die Verwandtenbeschäftigung wird zu einem Stück Wahlenthaltung führen“, sagte er voraus.

Der lange und oft gescholtene Koalitionspartner FDP nimmt Seehofers Aussage mit Freude und mit kleinen Spitzen entgegen: „Die Koalition tut dem Freistaat gut. Ich begrüße, dass diese Erkenntnis sich nun auch in der CSU durchsetzt“, sagte FDP-Fraktionsvorsitzender Thomas Hacker. Und mit Blick auf die Verwandten-Affäre ergänzte er: „Gerade die vergangenen Tage zeigen, dass Bayern mit der Alleinregierung einer Partei nicht optimal aufgestellt wäre.“

In der vergangenen Woche hatte die Staatsanwaltschaft Augsburg gegen den ehemaligen CSU-Fraktionsvorsitzenden im Landtag Georg Schmid Ermittlungen wegen Scheinselbstständigkeit aufgenommen und am Freitag sein Haus in Donauwörth durchsuchen lassen.

Schmid hatte im Zuge der Aufdeckung der Affäre Posten und Mandat verloren – Seehofer kündigte nun erneut an, dass er „in eklatanten Fällen personelle Konsequenzen“ ziehen werde. Er betonte, dass er erst durch die entsprechenden Veröffentlichungen von der Beschäftigung von Verwandten erfahren habe.

Die Abendzeitung hatte am 15. April erstmals über das System der Abzocker im bayerischen Landtag berichtet und Auskunft über die betroffenen Politiker von Landtagspräsidentin Barbara Stamm (CSU) verlangt. Die weigert sich zunächst, gibt dann auf Druck doch die 79 Namen heraus.

Darunter einige, die erst kurz vor Verabschiedung des Gesetzes im Dezember 2000 ihre Angehörigen anstellten, um so den Schutz für Altfälle zu genießen. Es könnten mehr als 30 Abgeordnete sein, die so verfahren haben. Ob das zutreffend ist, will Barbara Stamm auch nicht verraten – sie verhängt eine Informationsperre.

Nach Informationen des BR und der SZ haben neben Georg Winter (CSU) , dem ehemaligen Vorsitzenden des Haushaltsausschusses, mindestens Landwirtschaftsminister Helmut Brunner, Innenstaatssekretär Gerhard Eck und Kulturstaatssekretär Bernd Sibler Angehörige erst im Jahr 2000 angestellt. Bayerns SPD-Chef Florian Pronold fordert: „Seehofer muss die betroffenen Regierungsmitglieder rauswerfen.“

Probleme bereitet die Verwandten-Affäre nicht nur der CSU und Landtagspräsidentin Barbara Stamm, sondern auch ihre Tochter, der grünen Abgeordneten Claudia Stamm: Die hat an der Tegernseer Landstraße ihr Stimmkreisbüro – und zwar als Untermieterin einer Firma, die ihrem Ehemann gehört. Die Miete, laut Claudia Stamm 404 Euro monatlich, hat sie aus ihrer Abgeordneten-Pauschale bezahlt. Zudem soll sie laut „Zeit“ Mitarbeiter ohne Verträge angestellt haben, die sie „wie die persönlichen Hausdeppen“ behandele. Stamm wehrt sich auf Twitter: „Ich fühle mich diffamiert.“

 

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