Seehofer: Zeichen der Abrüstung
Sprengsatz Studiengebühren: CSU und FDP nähern sich beim Gipfel in der Zirbelstube an – sie wollen ihre Koalition unbedingt retten. Nur wie? Die AZ erklärt, welche Szenarien jetzt kursieren
MÜNCHEN Immerhin, so viel hat der bayerische Koalitionsgipfel bis nach Mitternacht in der Staatskanzlei gebracht: CSU und FDP wollen ihre Koalition nicht platzen lassen. Sondern eine Lösung im Streit um die Studiengebühren finden. Wie die aussehen soll, weiß man noch nicht, aber den Zeitplan dafür: Nach bilateralen Einzeltreffen ist am Freitag, nach den Aschermittwochszeremonien, das nächste große Treffen, sechs Tage später soll die Lösung stehen.
Beide Seiten sandten Signale der Abrüstung. CSU-Chef Horst Seehofer sagte gestern: „Die Stimmung hat sich spürbar entspannt.“ Jetzt halte er die Chancen einer Einigung für hoch. „Der Wille war erkennbar, dass man sich aufeinander zu bewegen will“, so CSU-Fraktionschef Georg Schmid. Sein FDP-Kollege Thomas Hacker sagte, man habe die Positionen ausgetauscht. Die waren aber schon vorher bekannt – und sie sind immer noch unvereinbar. Die CSU will die Studiengebühren im Landtag abschaffen, die FDP per Volksentscheid. Schwer vorstellbar, wie man sich da in der Mitte treffen kann: Einer wird nachgeben müssen.
Gleichzeitig wurde bei dem Gipfel aber auch deutlich, dass beide Koalitionspartner nicht das geringste Interesse am Platzen des Bündnisses und sofortigen Neuwahlen haben – schon allein deswegen, weil man dann kaum glaubwürdig vermitteln könnte, dass man wieder koalieren will. Mehrere Szenarien sind im Gespräch, doch sie haben alle ihre Haken.
Zentraler Moment ist die Abstimmung im Landtag. Die FDP steht auf dem Standpunkt, dass die Koalition gescheitert ist, wenn die CSU hier mit der Opposition stimmt und verweist auf den Koalitionsvertrag. Hier hat sich die CSU schon allerlei einfallen lassen: etwa, dass man den Koalitionsvertrag für den Tag aussetzt (Fraktionschef Schmid). Dann hat sein Kollege Hacker daran erinnert, dass in Berlin die CSU mit Hinweis auf den dortigen Koalitionsvertrag die FDP zur Zustimmung zum Betreuungsgeld zwingt. Lies: Den könne man ja auch mal kurz aussetzen. Seither wird das Argument nicht mehr verwendet. Seehofer versuchte es dann mit dem Hinweis, der Vertrag gelte ja nur noch bis September. Der Beschluss betreffe aber die Zeit danach. Auch diese Lesart macht die FDP nicht mit.
Kauft die CSU der FDP ihre Zustimmung ab?
Allerdings kann der CSU-Chef auch nicht einfach den Liberalen zuliebe ausmachen, im Landtag in ihrem Sinne abzustimmen. Mehrere Abgeordnete, etwa Vizefraktionschef Alexander König, haben bereits angekündigt, sich dem zu verweigern und dann mit der Opposition zu stimmen. Es wäre ein Gau für Seehofer, sollte das Votum schiefgehen. Ohnehin hat er die Wut seiner Abgeordneten derzeit nur eingebremst, nicht erstickt. Ein reines Nachgeben gegenüber der FDP kann dem CSU-Chef gefährlich werden.
Noch am wahrscheinlichsten sind derzeit zwei Varianten. Erstens: Es gibt einen Volksentscheid, aber nicht wie von der FDP gewünscht parallel zur Wahl am 15. September, sondern möglichst bald – um das Thema aus dem Wahlkampf rauszuhalten. Das kommt der CSU auch insofern entgegen, als die FDP den Entscheid nach allen Umfragen ohnehin verliert und dann domestizierter wäre. Allerdings müssten die Abgeordneten dafür vorher im Landtag die Zähne zusammenbeißen und gegen ihre Meinung votieren.
Oder zweitens: Die CSU kauft der FDP die Zustimmung zur Abschaffung per Landtag ab. Im Angebot sind eine volle Übernahme der wegfallenden Studiengebühren durch die Staatskasse, so dass sich an den Unis nichts ändert, und/oder mehr Geld für frühkindliche Bildung und/oder mehr Geld für berufliche Bildung. Problem: Das kostet Geld, und eigentlich wollten beide Parteien mit soliden Haushalten werben. Und: Die FDP stünde als Umfaller da.
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