Seehofer wettert, die Stimme versagt

Guttenberg ist nicht mehr da und doch allgegenwärtig. Seehofer kämpft und wettert mit versagender Stimme.
Angela Böhm |
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Prost: Horst Seehofer in der Dreiländerhalle in Passau.
dapd Prost: Horst Seehofer in der Dreiländerhalle in Passau.

Passau - Willi Fischer hat sich alle Mühe gegeben. Ein Plakat hat der 57-jährige KFZ-Mechaniker aus Schönbrunn bei Heidelberg gebastelt und online nach München geschickt in die CSU-Zentrale. Ein strahlendes Bild von Karl-Theodor zu Guttenberg mit dem Spruch: „Nur mit KT erreicht die CSU wieder 50 plus XXL.“ Beim schwarzen Hochamt in Passau sollte es hinten an der großen Wand der Dreiländerhalle hängen. Zum 26. Mal ist der CDU-Mann aus Baden-Württemberg mit zehn Spezln angereist. Alle tragen sie Guttenberg-Shirts. Nur ihr Plakat ist nicht da.

„Das hat Seehofer offensichtlich nicht gefallen", beklagt sich Willi Fischer. Für den CSU-Chef ist es eine heikle Mission an diesem 59. politischen Aschermittwoch. Vor einem Jahr signalisierten die Guttenberg-Plakate, dass er hier nur noch auf Abruf seiner konservativen Gemeinde predigen darf. Jetzt hat Seehofer seinen gefährlichsten Konkurrenten verloren. Der Held ist weg. Für immer? Das will hier keiner so recht glauben. Unter dem letzten Aufgebot der CSU herrscht Katerstimmung. Da nützt auch das starke Bier nichts. Seehofer muss ihre Seele streicheln und das Comeback prophezeien. Doch da lässt er sie erstmal zappeln. Sein Generalsekretär Alexander Dobrindt dagegen hat den schwarzen Superstar schon am Vorabend beerdigt. Im Hotel „Zum weißen Hasen", sagte er zu Guttenbergs Fall: „Wer uns dadurch geschwächt sieht, ist auf der falschen Fährte.

Die CSU ist in einem guten Zustand." Hinten, auf der großen Hallen-Wand muss man den zurückgetretenen Hoffnungsträger suchen. Klein und fast versteckt steht dort nur: „KT - Du bist einer von uns." Willi Fischer und seine CDU-Freunde jedenfalls wollen weiter an den Baron glauben. „Wir wollen KT zurück", haben sie auf Zettel gedruckt, die sie verteilen. „Wir sind der KT-Verband" sagt LKW-Fahrer Martin Müller (34). „Wir gründen jetzt die ZGP-Partei, die zu Guttenberg-Partei." Bayerns Sozialministerin Christine Haderthauer versucht gleich, die Guttenberg-Lücke zu füllen. Mit einem Packen Autogramme bewaffnet, steht sie umringt von Fans im Hauptgang der Halle, bis Ordner sie wegstauben: „Jetzt kommt der Seehofer." Als der zum Defiliermarsch einmarschiert, streckt ihm Willi Fischer sein Guttenberg-Blatt entgegen. Seehofer gibt ihm die Hand und sagt: „Du wirst überrascht sein, was heute passiert." „Unsere hochverehrte Kanzlerin hat gestern am Weltfrauentag die Männer aufgefordert, mehr nachzudenken", beginnt Seehofer seine Rede.

Er hat nachgedacht und zündet gleich einen Sprengsatz. Den Begriff „Deutsche Leitkultur" will er in die bayerische Verfassung schreiben. Dort soll künftig festgelegt werden, dass alle Migranten ein Bekenntnis zur deutschen Sprache ablegen müssen. „Wenn es um Integration geht“, sagt Seehofer, „dann müssen wir Bayern vielleicht die letzten Preußen in Deutschland sein und den anderen beibringen, wie man Integration macht.“ Ein geschickter Trick: Über eine Verfassungsänderung muss in Bayern das Volk abstimmen. Damit könnte Seehofer die Ausländer-Debatte richtig anheizen, so wie einst Roland Koch mit seiner Postkarten-Aktion gegen die doppelte Staatsbürgerschaft. „Damit das ein für allemal geklärt ist", sagt Seehofer. Nur: Im Saal versteht noch keiner so recht, was der CSU-Chef da will. Statt tosendem Applaus herrscht große Stille. Dann arbeitet Seehofer brav die Themen seiner kleinen bayerischen Welt ab. Von Hartz IV über Franz Josef Strauß bis Edmund Stoiber. Von den Heimatvertriebenen bis zu den Niederbayern.

Ausgerechnet mit der Heimat des politischen Aschermittwochs hatte es sich Seehofer ja gründlich verdorben: Als sein Zukunftsrat beschied, Passau solle sich lieber nach Österreich orientieren. „Passau bleibt Bayern. Auch das schreiben wir in die Verfassung", verspricht er. Nach 40 Minuten ist Seehofer völlig heiser. So wie auch die Jahre davor. Seine Stimme ist dem schwarzen Spektakel offensichtlich nicht gewachsen. Lange 77 Minuten strapaziert er sie, bis er endlich zum entscheidenden Thema kommt. Zum abwesenden Helden des Aschermittwochs. „Die Bevölkerung steht hinter Karl-Theodor zu Guttenberg." Jetzt wachen alle auf. Die Halle beginnt zu kochen. KT-KT-KT-Chöre erschallen.

„Ich werde als CSU-Vorsitzender alles tun, dass Karl-Theodor in die deutsche Politik zurückkehrt", verspricht er ein Comeback und macht damit die CSU-Fans doch noch glücklich. Zum Höhepunkt der Heiligsprechung richtet sich der CSU-Chef ganz persönlich an den Hoffnungsträger: „Lieber Karl-Theodor, bei deinem Herzen für die Schwarzen wirst du jetzt sicher vor dem Fernseher sitzen. Du bist einer von uns. Du bleibst einer von uns. Und wir wollen, dass du wieder zurückkommst in die deutsche Politik." Fehlt nur noch, dass er seinen Treueschwur für KT auch in die Verfassung schreiben will. Als Trostpflaster für alle Trauernden holt er Edmund Stoiber auf die Bühne. Einer aus dem Parteivorstand sagt hinter vorgehaltener Hand: „Eine Woche Trauerarbeit, das war’s jetzt. Das Leben verändert sich."

Am Donnerstag ist für KT endgültig Schluss. Als großen Zapfenstreich hat er sich von der Bundeswehrkapelle die Rock-Hymne „Smoke on the Water“ gewünscht Der Welthit von Deep Purple ist die perfekte Wahl. Den berühmtesten Teil haben die Rockmusiker auch abgekupfert – aus dem Lied „Maria Moita" von der Jazz-Musikerin Astrud Gilberto. Plagiat für Plagiat.

 

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