Seehofer und Schnarri wagen den Neuanfang

MUENCHEN - Nach den dramatischen Tagen rund um die BayernLB-Krise sitzen CSU und FDP jetzt wieder am Verhandlungstisch. Bis Freitag schon muss der Koalitionsvertrag eigentlich in trockenen Tüchern sein. Allerdings schließen beide Partner eine Verschiebung der Wahl Horst Seehofers im Landtag nicht mehr aus. Die Verfassung sieht nämlich ein raffiniertes Schlupfloch vor...
Das Milliarden-Desaster der BayernLB und der Rückzug von Finanzminister Erwin Huber aus dem Kabinett haben den Terminplan von CSU und FDP für die Regierungsbildung heftig durcheinandergewirbelt. Gestern war nicht einmal mehr klar, ob Horst Seehofer wirklich am kommenden Montag zum Ministerpräsidenten gewählt wird – laut Verfassung könnte Schwarz-Gelb damit noch bis zum 17.November warten.
Am Samstag waren die Koalitionsverhandlungen aufgrund des Finanzchaos’ unterbrochen und auf gestern vertagt worden. Doch anstatt wie abgemacht um 10 Uhr in der FDP-Zentrale zu erscheinen, ließ die CSU-Delegation die Liberalen stundenlang warten. Erst nach dem CSU-internen Scherbengericht, dem Erwin Huber zum Opfer fiel, trudelten Seehofer und Co. gegen 13 Uhr am Rindermarkt ein, um weiterzuverhandeln.
„Wir streben an, dass wir den terminlichen Fahrplan halten“, eierte Seehofer herum. Man habe den „festen Vorsatz“, die Gespräche am Freitag erfolgreich zu beenden. „Absolut garantieren“ könne er das aber nicht, CSU und FDP ließen sich von Sorgfalt leiten. Keinesfalls dürften jetzt mögliche Finanzrisiken schöngeredet werden.
Leutheusser-Schnarrenberger: "Die FDP lässt sich nicht unter Druck setzen"
Die FDP lasse sich „nicht unter Druck setzen“, kündigte Landeschefin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger an. Man habe zudem erst 60 Prozent der Sachthemen abgearbeitet. Unisono betonten Leutheusser-Schnarrenberger und Seehofer, jetzt sei ein „Neuanfang“ notwendig. Die alte Regierung Beckstein forderten sie auf, eine Schlussbilanz vorzulegen. Damit solle deutlich gemacht werden, dass eine schwarz-gelbe Regierung für das Milliarden-Loch keinerlei Verantwortung trage.
Die Koalitionäre stehen unter Zeitdruck: Nach dem bisherigen Plan soll die Tinte unter dem Koalitionsvertrag spätestens am Freitag trocken sein. Für Samstag hat die CSU bereits zu einem Parteitag nach München eingeladen, auf dem die Basis den Vertrag absegnen soll. Tags darauf sollen die FDP-Delegierten in Ingolstadt dem Pakt zustimmen. Am Montag schließlich wollen CSU und FDP Seehofer zum Ministerpräsidenten wählen.
Eine Landtagssitzung muss am Montag auf jeden Fall stattfinden – das zeigt ein Blick in Artikel 44, Absatz 1 der Bayerischen Verfassung: „Der Ministerpräsident“, heißt es da, „wird von dem neugewählten Landtag spätestens innerhalb einer Woche nach seinem Zusammentritt auf die Dauer von fünf Jahren gewählt“. Da die konstituierende Sitzung am vergangenen Montag stattfand, muss die Wahl also spätestens am kommenden Montag auf der Agenda stehen.
Lässt Seehofer den ersten Wahlgang platzen, haben FDP und CSU drei Wochen mehr Zeit
Kommen CSU und FDP bis Freitag doch nicht zu Potte, bietet Absatz 5 des Artikels 44 ein Schlupfloch. Dort steht: „Kommt die Neuwahl innerhalb von vier Wochen nicht zustande, muss der Landtagspräsident den Landtag auflösen.“ Seehofer könnte sich also am Montag einfach nicht zur Wahl stellen – und so den ersten Anlauf platzen lassen. CSU und FDP hätten dann drei Wochen Zeit gewonnen. Landtagspressesprecher Axel Stehle zur AZ: „Anders als im Vatikan werden die Türen bei uns nicht so lange verschlossen, bis weißer Rauch aufsteigt.“
Denkbar wäre am Montag auch ein parlamentarisches Kasperltheater: So könnte SPD-Fraktionschef Franz Maget das Machtvakuum nutzen und sich im Landtag der geheimen Wahl stellen. Allerdings bräuchte er die einfache Mehrheit, um Ministerpräsident zu werden – gegen die Stimmen von CSU und FDP ist diese nicht erreichbar.
Markus Jox