Seehofer und die Rente: „Spinnt der jetzt total?“

Mit seinem Veto gegen die Rente mit 67 sorgt Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer für Chaos in der eigenen Partei. Ein Kabinettsmitglied zur AZ: „Ich versteh die Welt nicht mehr."
von  Abendzeitung
Horst Seehofer
Horst Seehofer © dpa

MÜNCHEN - Mit seinem Veto gegen die Rente mit 67 sorgt Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer für Chaos in der eigenen Partei. Ein Kabinettsmitglied zur AZ: „Ich versteh die Welt nicht mehr."

Für die bayerischen Kabinettsmitglieder gehörte es zu den Standardsätzen in ihren Reden: „Es führt kein Weg an einer längeren Arbeitszeit vorbei“, erklärten sie Land auf Land ab die Rente mit 67. Doch ihr Chef, Horst Seehofer, ist jetzt plötzlich gegen die Rente mit 67. Warum? Das hat er keinem in seiner Partei und auch nicht der CDU erklärt. Das Chaos in der Union ist wieder perfekt. Dabei ist das vorherige, dass Seehofer mit seinem Zuwanderungsstopp angerichtet hat, noch gar nicht entwirrt.

Inzwischen machen sich in viele Sorgen um ihren Parteichef. Von „Panikreaktionen“ ist die Rede. Vom „einsamen Cowboy“, der nur noch „aus der Hüfte“ schießen kann. Dem die Angst vor Karl-Theodor zu Guttenberg im Nacken säße. Der sich gegen die Wirtschaft stelle, gegen die große Schwesterpartei, gegen die eigenen Leute und mit niemanden mehr in der Partei rede. Der die CSU isoliere und alleine in eine rechte Ecke stelle. Ein Kabinettsmitglied sagte am Mittwoch zur AZ: „Ich versteh die Welt nicht mehr. Überall werde ich schon gefragt, ob der jetzt total spinnt?“

Der Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft, Bertram Brossard, wirft Seehofer Realitätsferne vor. An der Rente mit 67 dürfe nicht gerüttelt werden. Wer das tue, lasse die demografische Entwicklung völlig außer Acht.

Den Berliner CSU-Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich stellt sich gegen seinen Parteichef: „Die Rente mit 67 steht nicht zur Disposition.“ Sie sei schließlich beschlossen worden, „um das Rentensystem zu sichern.“

Beim Zuwanderungsstopp war Friedrich Seehofer noch zur Seite gesprungen - und musste sich dann, wie alle anderen, vom bayerischen Ministerpräsidenten sagen lassen, dass er missverstanden worden sei. Kurz drauf aber legte Seehofer wieder nach.

Heftige Kritik kam auch von Bundesfinanzstaatssekretär Hartmut Koschyk (CSU): Einmal getroffene Entscheidungen dürften nicht wieder infrage gestellt werden, nur weil sich die SPD beim Thema Rente mit 67 vom Acker mache. JU-Chef Phillip Missfelder (CDU) giftete, was Seehofer tue, sei „unverantwortlich“. Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen verteidigt die Rente mit 67 als „richtigen Schritt.“ Seehofer aber hält an seinem neuesten Vorstoß fest. Und in der CSU-Fraktion schlagen führende Abgeordnete nur noch die Hände über den Kopf: Von einer Berechenbarkeit der CSU könne man wohl nicht mehr reden.

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