Seehofer in Passau: Diplomatie oder Provokation?

Horst Seehofer steht am Aschermittwoch eine heikle Aufgabe bevor: Im Streit mit der Kanzlerin ist eine Kunst gefordert, die zum traditionellen Geholze nur wenig passt.
von  dpa
Spricht am Mittwoch in Passau: CSU-Chef Horst Seehofer.
Spricht am Mittwoch in Passau: CSU-Chef Horst Seehofer. © dpa

Horst Seehofer steht am Aschermittwoch eine heikle Aufgabe bevor: Im Streit mit der Kanzlerin ist eine Kunst gefordert, die zum traditionellen Geholze nur wenig passt. Eine Analyse der Lage.

München - Nach üblichen Maßstäben könnte CSU-Chef Horst Seehofer vor dem diesjährigen Aschermittwoch ein zufriedener Mann sein. In den vergangenen Monaten hat die CSU – so sieht sie das jedenfalls selbst – serienweise Forderungen durchgesetzt. Und Seehofer hat hellseherische Fähigkeiten bewiesen: Seine Prophezeiungen von 2015 sind nahezu vollständig eingetreten.

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Von Freude darüber wird am Mittwoch bei Seehofers Auftritt in Passau allerdings wenig zu spüren sein. Die Verschärfung des Asylrechts in den Asylpaketen I und II führt die CSU zu großen Teilen auf ihre Forderungen zurück – eine Bilanz, die Seehofer den 3000 Zuhörern in der Dreiländerhalle nicht vorenthalten wird. Dennoch ist das eingetreten, wovor er die CDU x-fach warnte: Die Union ist im Sinkflug, und am rechten Flügel freut sich die AfD über mittlerweile zweistellige Umfragewerte.

Kein Zweifel: Die Flüchtlingskrise wird das Hauptthema des Aschermittwochs sein. Kanzlerin Bundeskanzlerin Angela Merkel tritt erst am Nachmittag in Mecklenburg-Vorpommern auf, um Seehofer in Passau nicht die Schau zu stehlen. Und SPD-Chef Sigmar Gabriel macht um Bayern einen Bogen.

"Man reibt sich die Augen"

Die größte Aufmerksamkeit wird voraussichtlich wie immer die CSU auf sich ziehen – auch, weil die Lage in der Union gespannt ist. Wird Seehofer neue Provokationen in Richtung Merkel schleudern?

Auf dem Seziertisch zerlegt werden wird in Medien und sozialen Netzwerken auch der Auftritt von AfD-Chefin Frauke Petry im niederbayerischen Osterhofen, nachdem diese die Möglichkeit eines Schusswaffengebrauchs gegen Flüchtlinge angedeutet hatte. Die Partei hofft in Osterhofen auf „Oktoberfeststimmung“. Eine Gegenkundgebung ist geplant. Von einer verfrühten Wiesn wird bei keiner anderen Partei etwas zu spüren sein.

Die Kritik, er habe die AfD erst hochgeredet, pflegt Seehofer mit Schnauben zu quittieren. „Zu glauben, man kann sich so durchmogeln, ohne dass sich die Flüchtlingszahlen drastisch verringern, das wird nicht gelingen.“ In der CSU wird mit grimmiger Befriedigung registriert, dass die Tonalität in CDU und SPD immer stärker der CSU ähnelt, je näher die drei Landtagswahlen rücken. Inzwischen will sogar Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) nicht integrationswilligen Flüchtlingen das Geld kürzen. „Man reibt sich die Augen“, sagt Seehofer spöttisch. Und dennoch kann der CSU-Chef keineswegs hemmungslos vom Leder ziehen.

Trotz Drohungen hat Seehofer Bundeskanzlerin Angela Merkel bislang nicht dazu bewegen können, einer Obergrenze oder massenhaften Zurückweisungen von Flüchtlingen zuzustimmen. Um nicht als zahnloser Tiger zu erscheinen, hat Seehofer daher den Konflikt bislang immer weiter eskalieren lassen. In der CSU-Vorstandssitzung vor zwei Wochen äußerte er „Verständnis“ für Rücktrittsforderungen an Merkels Adresse. Aber Seehofer hat jetzt kein Interesse, eine Personaldebatte um Merkel anzuheizen. Und deswegen ist von ihm vorsichtige Wortwahl gefordert – Aschermittwoch hin oder her.

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