Seehofer erteilt grundlegender Schulreform Absage
MÜNCHEN - Zum Start des neuen Schuljahres hat Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) das Festhalten am dreigliedrigen Schulwesen betont und einer Abschaffung der bayerischen Hauptschulen eine Absage erteilt.
Bayern werde beim differenzierten Bildungssystem bleiben, sagte Seehofer am Montag in München. „Es muss Schluss sein mit der Reformitis“.
An diesem Dienstag beginnt für die gut 1,8 Millionen Schüler und ihre 120 000 Lehrer in Bayern das neue Schuljahr. Gut zwei Drittel der knapp 1000 bayerischen Hauptschulen werden in Mittelschulen umgewandelt, die bessere Berufsorientierung und mehr individuelle Förderung bieten sollen. Seehofer gab bei dem Festakt in der Staatskanzlei den offiziellen Startschuss für die Mittelschule.
In vielen ländlichen Gebieten werden die Hauptschulen nahezu flächendeckend zu Mittelschulen. Es fehlen noch die großen Städte München, Nürnberg und Augsburg, diese wollen aber im nächsten Jahr folgen, wie Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) bei der Veranstaltung sagte. Spaenle betonte, dass bayerische Schüler bei Schulvergleichen unter den Bundesländern erste Plätze belegen – einschließlich der Haupt- und Berufsschüler. „Die Einheitsschule ist nicht unser Weg“, sagte Seehofer. Unterschiedliche Menschen haben unterschiedliche Begabungen und brauchen unterschiedliche Angebote.“
Die Mittelschul-Reform hat jedoch den jahrelangen Rückgang der Anmeldezahlen für die Hauptschulen nicht gestoppt. Die Eltern haben heuer nach den Zahlen des Kultusministeriums 220 380 Kinder an den Hauptschulen angemeldet – gut 10 000 weniger als vor einem Jahr. Die Schülerzahlen an Realschulen und Gymnasien dagegen steigen weiter - zum neuen Schuljahr zählte die Schulverwaltung 240 000 Realschüler und 387 000 Gymnasiasten.
In den vergangenen Jahren haben mehrere Bundesländer wegen des unaufhaltsamen Rückgangs der Schülerzahlen die Hauptschulen abgeschafft und das drei- in ein zweigliedriges Schulwesen verwandelt. Auch Bayerns Klassenzimmer werden in den kommenden Jahren keine Ausnahme sein, obwohl die bayerische Bevölkerung insgesamt noch zunimmt: An den bayerischen Grundschulen ist die Kinderzahl zum neuen Schuljahr bereits um vier Prozent zurückgegangen.
Die Gemeinden hoffen, dass die neuen Mittelschulen dem jahrelangen Abwärtstrend der Hauptschulen Einhalt bieten und sich möglichst viele Schulstandorte trotz Schülermangels retten lassen. „Die Mittelschule noch vor dem Start totzusagen, ist indiskutabel“, kritisierte Gemeindetagspräsident Uwe Brandl (CSU). „Ich bin überzeugt, dass die Mittelschule neue Chancen und Möglichkeiten bietet.“
Anders als die bisherigen Hauptschulen bieten die meisten Mittelschulen Ganztagsbetreuung oder Ganztagsunterricht. Um Schließungen zu vermeiden, haben sich viele Hauptschulen zu Schulverbünden zusammengeschlossen, die gemeinsam ein größeres Unterrichtsangebot bieten als bisher.
Dennoch wird es auch künftig Schulschließungen geben: „Dass es aufgrund der demografischen Entwicklung unmöglich sein wird, jeden Hauptschul-Standort zu erhalten, gehört zur Wahrheit dazu“, sagte Spaenle. Der Hintergrund: Obwohl die Hauptschüler inzwischen in der Minderheit sind, gibt es nach wie vor etwa 970 Hauptschulen im Freistaat. Dem gegenüber stehen jeweils rund 400 Realschulen und Gymnasien, die damit trotz höherer Schülerzahlen nach wie vor vergleichsweise dünn gesät sind.
Der SPD-Schulexperte Hans-Ulrich Pfaffmann kritisierte Seehofers Rede als „einzige Enttäuschung“. „Seehofers Botschaft ist: Wir machen weiter wie bisher.“ Die Mittelschule werde keinen Erfolg haben und sei „nichts anderes als alter Wein in neuen Schläuchen“.
dpa
- Themen:
- CSU
- Horst Seehofer
- Ludwig Spaenle