Seehofer erreicht den Gipfel seiner Beliebtheit
Ein besseres Zeugnis hätte sich Horst Seehofer zur 100-Tage-Bilanz seiner neuen Regierung nicht träumen können: 49 Prozent für die CSU, Bestnoten für ihn selbst. Die Opposition spricht von Chaos und Stillstand, von Populismus und einem klassischen Fehlstart.
München/Kreuth/Irsee – Für Horst Seehofer dürfte die Lektüre des neuen „Bayerntrends“ die reine Freude sein: Auf 49 Prozent würde die CSU nach der neuen Umfrage des Bayerischen Fernsehens bei einer Landtagswahl kommen. Und dann seine persönlichen Werte: Die schießen über den Bergen von Kreuth, wo Seehofer und die Landtags-CSU derzeit in Klausur sind, förmlich in den Himmel: 76 Prozent der Befragten halten Seehofer für einen guten Ministerpräsidenten. 79 Prozent der Bayern sehen ihn demnach als entscheidungsstark, 70 Prozent halten den Vorwurf der Sprunghaftigkeit für unberechtigt, 67 Prozent finden ihn sympathisch.
Und das Ganze auch noch pünktlich zur bevorstehenden 100-Tage-Bilanz des Kabinetts Seehofer II an diesem Samstag. Die CSU-Politiker in Kreuth sind über die hohe Zustimmung zu ihrer Partei naturgemäß sehr erfreut: „Es ist eine besondere Kunst, so zu regieren, dass die Bürger sich wohlfühlen“, sagt der frühere Justizminister Alfred Sauter. „Das haben wir gemacht.“
Viel passiert ist in Bayern seit der Landtagswahl im September nicht. Quasi sämtliche CSU-Spitzenpolitiker waren bis kurz vor Weihnachten in den Berliner Koalitionsverhandlungen gebunden, allen voran Seehofer selbst. Da blieb kaum Zeit für die bayerische Politik.
Inzwischen sind Seehofer und seine Minister aber vor allem im Freistaat unterwegs – auch die derzeitigen Hauptanwärter auf die Seehofer-Nachfolge, Finanzminister Markus Söder und Wirtschaftsministerin Ilse Aigner. Bei der „Bayerntrend“-Frage nach der möglichen Seehofer-Nachfolge liegt Söder derzeit mit 31 zu 27 Prozent Zustimmung vor Aigner. Doch bei einem derart erstarkten Ministerpräsidenten spielt die Nachfolgediskussion derzeit keine große Rolle.
Aigner hatte auch nach dem Eindruck mancher CSU-Parteifreunde keinen glücklichen Start als neue Wirtschaftsministerin. Zuletzt musste sie sich dem Willen Seehofer unterwerfen und Überlegungen für eine teilweise Finanzierung der Energiewende auf Pump zu den Akten legen. Söder hatte ohnehin einen Startvorteil, weil er sich nicht in eine neue Aufgabe einfinden musste. Er legte in den vergangenen Monaten eine Initiative nach der anderen vor.
Die Opposition lästert über die ersten 100 Tage. Von einem „klassischen Fehlstart“ spricht SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher – und nennt als Beispiel das aktuelle Hickhack um die Energiewende. „Da herrscht Chaos – man könnte fast von Inkompetenz reden“, sagt SPD-Generalsekretärin Natascha Kohnen.
Grünen-Fraktionschefin Margarete Bause beklagt „100 Tage Stillstand“. Die CSU sei damit beschäftigt gewesen, in Berlin Wind zu machen, und habe deshalb in Bayern nichts bewegt. Und Aigner habe „noch keinerlei Kompetenz gezeigt“. Auch Freie-Wähler-Fraktionschef Hubert Aiwanger sagt, Seehofer und seine Minister hätten noch nicht Tritt gefasst. „Die neue Regierung hat ihren Kompass noch nicht gefunden.“
Doch eine Mehrheit der Bürger sieht das offensichtlich anders - denn der Vorsprung der CSU ist laut Umfrage auf den meisten Politikfeldern sogar gewachsen. Nur elf Prozent trauen der SPD die Lösung der wichtigsten Probleme in Bayern zu – sechs Prozentpunkte weniger als zuvor. Das ist ein tiefer Schlag ins sozialdemokratische Kontor. Laut Umfrage halten sogar 56 Prozent der SPD-Anhänger und 45 Prozent der Grünen-Wähler Seehofer für einen guten Ministerpräsidenten.
Die 101-köpfige CSU-Fraktion in Kreuth ist daher von der Oppositionskritik nicht übermäßig beeindruckt: „Eine so entspannte Klausur hatten wir seit langem nicht“, sagt der Allgäuer Abgeordnete Eberhard Rotter.
Ganz besonders große Sorgen aber sollte sich Freie Wähler-Chef Hubert Aiwanger machen: Die Meinungsforscher von infratest dimap haben auch ermittelt, dass 78 Prozent der FW-Anhänger Seehofer gut finden – mehr als im Durchschnitt der Gesamtbevölkerung. In zwei Monaten steht die Kommunalwahl auf der Tagesordnung, die vor allem für die Freien Wähler von entscheidender Bedeutung ist. „Ich hoffe, dass die gute Stimmung bis zur Kommunal- und Europawahl anhält“, wünscht sich CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer.