"Seehofer denkt, er kann übers Wasser laufen“

Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer befindet sich auf dem Zenit seiner Macht. Kritik von Opposition oder Medien lässt er an sich abprallen – für ihn zählt die „Koalition mit den Bürgern“. Eine Analyse.
Christoph Trost, dpa |
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Horst Seehofer befindet sich unbestritten auf dem Zenit seiner Macht. Kritik von Opposition oder Medien lässt er an sich abprallen – für ihn zählt die „Koalition mit den Bürgern“. Die Oppositionsfraktionen werfen ihm Selbstherrlichkeit vor – Seehofer habe völlig abgehoben.

München  – Dass etwas innerlich an Horst Seehofer nagt, dass ihn etwas umtreibt, das merkt man immer daran, wenn er auf die betreffende Sache immer wieder zu sprechen kommt. Mal nebenbei, mal ganz offensiv. An diesem Mittwoch im Haushaltsausschuss des Landtags ist es eine Nebenbei-Bemerkung. Der Ministerpräsident erläutert dort ausführlich die Strategie seiner Regierung in Sachen Landesbank. Diese Strategie könne er natürlich nicht komplett öffentlich machen - und trotzdem werde diese schon eifrig kommentiert. „Sie kennen ja die Attribute, die mir angehängt werden. Sei's drum, es scheint ja so weiterzugehen, und ich kann nur alle ermuntern, so weiterzumachen.“

Aktuell ärgert sich Seehofer zwar vor allem über Kultusminister Ludwig Spaenle und dessen Ministerium. „Kommunikationskatastrophe“, so hat er die tagelangen Negativ-Schlagzeilen wegen der Kürzung von Lehrerstellen genannt. Aber sein Groll richtet sich auch und zusehends gegen die Medien.

So sagt er zu Journalisten: „Da könnt ihr jetzt ausnahmsweise mal nix dafür, das ist ein Kommunikationsproblem des Kultusministeriums.“ Und, wenig später: „Da sag ich ausdrücklich, im Gegensatz zu Energie, das ist nicht Euer Verschulden.“

Es ist eine mehr als 20-minütige Szene, die sich während der Plenarsitzung am Dienstag im Lesesaal neben dem Plenarsaal abspielt. Es geht um die Energiewende, um die Lehrerstellen und manches andere. Und auch wenn Seehofer im aktuellen Fall vor allem sauer auf Spaenle ist, so sagt er doch auch diesen Satz: „Jagdfieber, jetzt ist wieder Jagdfieber angesagt.“

Auf eine bohrende Nachfrage eines Journalisten schimpft er: „Sie wollen's nicht verstehen, Sie haben sich da jetzt wieder auf was eingeritten. Machen Sie's, das ist völlig wurscht, ehrlich. Für die Entwicklung Bayerns ist das völlig wurscht.“

Horst Seehofer fühlt sich missverstanden. Er glaubt, die Medien stellen ihn falsch dar – etwa wenn sie ihm Kehrtwenden in verschiedenen Politikbereichen vorwerfen. Und: Er sieht das Volk an seiner Seite. Erst recht seit der jüngsten „Bayerntrend“-Umfrage des Bayerischen Rundfunks. Da nämlich sagten beispielsweise 70 Prozent der Befragten, sie hielten den Vorwurf der Sprunghaftigkeit gegenüber Seehofer für unberechtigt. Der forderte seine Kritiker in Opposition und Medien deshalb noch in Kreuth auf: „Irgendwann werden alle, die was anderes über mich verbreiten, den Reset-Knopf drücken müssen.“

Die beiden CSU-Wahlsiege 2013 hatten ihm ohnehin Rückenwind gegeben. Auch in Sachen Energiewende perlt jede Kritik an Seehofer ab, ob sie nun von den Oppositionsfraktionen drinnen im Plenarsaal kommt oder von Journalisten. Seine Botschaft: Die Energiewende in Bayern läuft bestens, und die kritischen Fragen kläre ich mit Entscheidern wie Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) oder dem Stuttgarter Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Grüne).

Lesen Sie hier: AZ-Check: Was ist übrig von Seehofers Energieplänen?

Die Debatte im Landtag, in der die Opposition viele kritische Fragen stellt, nennt er eine „Gespensterdiskussion“ oder nur „Wahnsinn“. Und die Bevölkerung sei ohnehin mit dem Verlauf der Energiewende „hoch zufrieden“ – egal was da so behauptet werde. „Wir wissen's jedenfalls besser als alle Medien in Bayern. Das traue ich mich zu sagen.“ „Wir sind wieder bei der Qualität. Ich les' immer Dinge, da sag' ich mir immer, was ist da los in Bayern. Sie mögen subjektiv den Eindruck haben, aber das entspricht nicht der bayerischen Lebenswirklichkeit und der bayerischen Empfindung“, sagt Seehofer über Kritik und kritische Fragen der Medien zur Energiewende.

Immer im Hintergrund: sein Credo von der „Koalition mit den Bürgern“. Damit rechtfertigt er seinen fast schon präsidialen Regierungsstil. Die Opposition schimpft. „Er träumt sich sein Bayern zurecht“, sagt Freie-Wähler-Fraktionschef Hubert Aiwanger. Seehofer sei nicht mehr bereit, Kritik an sich heranzulassen. „Er erweckt den Eindruck, als würde er nur noch an seinem politischen Vermächtnis arbeiten.“

SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher kritisiert: „Horst Seehofer befindet sich auf dem Zenit seiner Macht – und damit auf dem Gipfel der Selbstherrlichkeit.“ Der Regierungschef sei beratungsresistent.

Und auch Grünen-Fraktionschefin Margarete Bause kritisiert, Seehofer sei noch abgehobener und noch überzeugter von sich selbst als noch vor einigen Monaten. Jetzt fehle nur noch, dass Seehofer die Heiligsprechung für sich beantrage. „Das ist für die politische Kultur im Moment unerträglich“, schimpft die Grünen-Politikerin.

Aber auch in der CSU gibt es durchaus kritische Stimmen – auch wenn die Fraktion insgesamt voll hinter ihm steht. Seehofer halte sich für den großen Strategen, der unanfechtbar und unangreifbar sei, sagt ein Fraktionsmitglied. „Er denkt, er kann übers Wasser laufen.“

 

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