Sebastian Kurz auf Kanzler-Kurs in Österreich bei Neuwahlen im Herbst

Der konservative österreichische Außenminister sichert sich mit einem Coup die Alleinherrschaft über die ÖVP, fordert Neuwahlen im Herbst – und will mit einer eigenständigen Liste antreten.
Natalie Kettinger |
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Vom Nachwuchs-Star zum Macht-Menschen: Sebastian Kurz (30) hat die ÖVP umgekrempelt, jetzt will der Konservative ins Wiener Kanzleramt.
Christian Bruna/dpa Vom Nachwuchs-Star zum Macht-Menschen: Sebastian Kurz (30) hat die ÖVP umgekrempelt, jetzt will der Konservative ins Wiener Kanzleramt.

Wien - Mit 24 Jahren Staatssekretär, mit 27 Jahren jüngster Außenminister der EU, mit 31 Jahren womöglich an der Spitze der österreichischen Regierung: Sebastian Kurz hat alle Chancen, bei einer vorgezogenen Neuwahl im Herbst ins Wiener Kanzleramt einzuziehen. Seit Sonntagabend ist der heute 30-Jährige als designierter Parteichef der neue starke Mann der Österreichischen Volkspartei ÖVP. Am Montag berieten Kurz und der amtierende Kanzler Christian Kern vom sozialdemokratischen Koalitionspartner SPÖ über den konkreten Weg zu Neuwahlen.

Dem vorausgegangen war ein regelrechter Coup des schwarzen Chef-Diplomaten. Nachdem der bisherige ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner zermürbt von Koalitionsquerelen und beschädigt durch parteiinterne Ablöse-Szenarien das Handtuch geworfen hatte, brauchte die Partei einen neuen Bundesobmann. Erste Wahl des Vorstands: Senkrechtstarter Kurz – der sich das Amt durch eine nie dagewesene Machtfülle vergolden ließ.

Seine Forderungen wurden gehört

Der neue Chef forderte – und erhielt – absolute Personalhoheit: In Zukunft wird nicht mehr der Bundesvorstand, sondern allein Kurz über die Zusammensetzung der Bundesliste der Kandidaten bestimmen, die in den Nationalrat einziehen sollen. Selbst bei den Landeslisten sicherte er sich ein Vetorecht.

Koalitionsverhandlungen will er in Eigenregie führen, Generalsekretär und Regierung im Alleingang bestimmen.

Und bei den angestrebten Neuwahlen will Kurz zwar für die ÖVP (und mit Zugriff auf deren Wahlkampf-Kriegskasse) antreten, aber unter dem Label einer "eigenständigen" Hybrid-Partei, der "Liste Sebastian Kurz – die neue Volkspartei". Eine Idee, die sich Kurz beim neuen französischen Präsidenten Emmanuel Macron und dessen Bewegung "En Marche!" abgeschaut hat.

Über die angestrebte Zusammensetzung der Liste ist noch nicht viel bekannt. Offenbar sollen 50 Prozent der Kandidaten weiblich sein, ein Parteibuch brauchen die Mitglieder nicht. "Wir haben beschlossen, dass wir eine Bewegung starten, dass wir auf bewährte Kräfte aus der Volkspartei setzen, aber gleichzeitig neue Leute an Bord holen", schreibt der der Konservative über den radikalen Neuanfang auf seiner Facebook-Seite.

Ob Kurz’ Kanzler-Plan bei einer Neuwahl aufgeht, ob der smarte Christian Kern das Rennen macht, oder gar der ehrgeizige Heinz-Christian-Strache von der rechten FPÖ ist nach Meinung von Experten derzeit völlig offen.

Zwischen "Wunderwuzzi" und "Kleindiktator"

Wer ist der Mann, den die einen den Wiener "Wunderwuzzi" nennen und andere einen "Kleindiktator" (taz)? Klar ist: Kurz wirbt um Wähler rechts der Mitte. Zu Beginn der Flüchtlingskrise kritisierte er die "Einladungspolitik der offenen Grenzen". Heute fordert er Auffanglager "in Ägypten, in Georgien oder einem Land im Westbalkan". Die umstrittene Haltung von Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban in der Migrationsfrage hält er für richtig.

Seit seinem 16. Lebensjahr engagiert sich Sebastian Kurz bei der ÖVP. 2010 wurde sein bislang einziger Patzer dokumentiert: Im Wien-Wahlkampf posierte er mit einem vielkritisierten, eher peinlichen, "Geil-o-mobil", das er auf Stimmenfang durch die Stadt fahren ließ. Es war eine Lehre für den ambitionierten Nachwuchs-Star. 2011 folgte die Beförderung zum Staatssekretär für Integration, 2013 die zum Außenminister. Sein Jura-Studium liegt derweil auf Eis.

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