Schwarzrotgrünrotgelb: Politische Farbenspiele in Berlin

Gut vier Monate vor der Bundestagswahl grassieren im politischen Berlin die Farbenspiele: Gelb würde so gerne mit Schwarz, zeigt aber Rot und Grün die kalte Schulter. Grün wiederum würde gerne mit Rot (und vielleicht auch mit Dunkelrot oder Schwarz), aber auf keinen Fall mit dem bösen Gelb. Wie wahrscheinlich ist nach dem 27.September welche Koalition? Die AZ nimmt die Bündnisoptionen unter die Lupe.
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Deutschlands Parteien ampeln wieder mal gewaltig herum.
dpa Deutschlands Parteien ampeln wieder mal gewaltig herum.

BERLIN - Gut vier Monate vor der Bundestagswahl grassieren im politischen Berlin die Farbenspiele: Gelb würde so gerne mit Schwarz, zeigt aber Rot und Grün die kalte Schulter. Grün wiederum würde gerne mit Rot (und vielleicht auch mit Dunkelrot oder Schwarz), aber auf keinen Fall mit dem bösen Gelb. Wie wahrscheinlich ist nach dem 27.September welche Koalition? Die AZ nimmt die Bündnisoptionen unter die Lupe.

Große Koalition, Jamaika, Ampel oder Linksfront – spätestens seit dem vergangenen Wochenende diskutiert das politische Berlin heftig über die wahrscheinlichste Koalition nach der Bundestagswahl am 27.September. Während sich die FDP der Union an den Hals wirft, grassiert schon wieder die Ausschließeritis: Die Grünen schließen Jamaika aus, die SPD eine Koalition mit der Linken – und die FDP eine Ampel. Die AZ hat die möglichen Varianten unter die Lupe genommen und beschreibt ihre Chancen.

Schwarz-Rot:

Im Wahlkampf hauen Union und SPD natürlich aufeinander ein, um Stammwähler zu mobilisieren. Schwarz-Rot sei „demokratie-hygienisch“ nicht gut für Deutschland, tönt SPD-Chef Müntefering. Hinter vorgehaltener Hand gehen aber viele Berliner Polit-Granden von einer Fortsetzung der großen Koalition aus. In der Krise seien klare Verhältnisse gefragt, die sich obendrein auf eine Mehrheit im Bundesrat stützen müssten. Wahrscheinlichkeit: 40%

Schwarz-Gelb:

Auch wenn FDP-Generalsekretär Dirk Niebel der Union gestern mal wieder einen „desolaten Zustand“ bescheinigt hat – niemand zweifelt ernsthaft daran, dass Merkel, Seehofer und Westerwelle sofort koalieren werden, falls die nötige Mehrheit auch nur hauchdünn erreicht wird – die Demoskopen sehen das derzeit allerdings noch auf der Kippe. „Ich möchte einen Wahlkampf für eine starke Union und anschließend eine Koalition mit der FDP bilden“, sagt CDU-Chefin Merkel. Auch Guido Westerwelle kündigte bereits „eine glasklare Koalitionsaussage für Schwarz-Gelb“ an. Wahrscheinlichkeit: 35%

Schwarz-Grün:

Bislang regiert nur der Hamburger CDU-Bürgermeister Ole von Beust mit einer solchen Konstellation – bislang nicht zum Nachteil der Hansestadt. Auch Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich flirtet schon heftig mit den Ökos und kann sich Schwarz-Grün gut vorstellen: „Mit den Grünen gibt es genauso Schnittmengen, wie es sie mit der FDP gibt.“ Die sächsischen Liberalen hätten aber im Unterschied zu den Grünen kein glaubwürdiges Angebot gegen die Krise: „Darum sind Stimmen für die FDP für das bürgerliche Lager verschenkt." In Berlin dürfte es diesmal rein rechnerisch aber noch nicht reichen. Wahrscheinlichkeit: 2%

Schwarz-Gelb-Grün:

Die Grünen haben auf ihrem Parteitag am Wochenende eine Jamaika-Koalition ausgeschlossen. Man wolle „nicht Steigbügelhalter für Schwarz-Gelb“ sein, lautet die Formulierung. Allerdings lassen sich die Ökos ein Hintertürchen offen: Wenn sie besser abschneiden als die FDP, ließe sich eher darüber reden, heißt es hinter den Kulissen. Wahrscheinlichkeit: 5%

Rot-Gelb-Grün:

Offizielle Linie der SPD ist: Reicht es nicht für Rot-Grün, wollen wir die klassische Ampel. „Es bleibt bei unserem Angebot“, sagt Müntefering. Und Fraktionschef Struck gurrt: „Mit der FDP haben wir große Übereinstimmungen in der Innen- und Rechtspolitik.“ Aller Differenzen in der Wirtschaftspolitik zum Trotz: „Ich denke schon, dass wir das hinkriegen würden.“ Westerwelle indes schließt die Ampel schroff aus. Reiche es nach der Wahl nicht für eine „bürgerliche Mehrheit“, mache er eben weiter Opposition. Wahrscheinlichkeit: 10%

Rot-Gelb:

Höchst unwahrscheinlich, beide Parteien kommen in den aktuellen Umfragen zusammen gerade mal auf 40 Prozent. Mit der SPD gebe es praktisch keine Basis mehr für eine Zusammenarbeit in einer Bundesregierung, sagt Ex-FDP-Chef Wolfgang Gerhardt. Wahrscheinlichkeit: 1%

Rot-Grün:

Offizielles Wunschergebnis vieler Sozis und Grüner, die über viele Berührungspunkte und große Schnittmengen der Ex-Regierungspartner schwärmen. Klingt aber ein wenig wie Pfeifen im Walde: Eine Neuauflage von Rot-Grün dürfte rechnerisch kaum möglich sein, beide zusammen liegen in den Umfragen derzeit zwischen 36 und 38 Prozent – meilenweit von jeder Mehrheit entfernt. Wahrscheinlichkeit: 1%

Rot-Rot:

Auch dieses Linksfront-Bündnis, das im Land Berlin schon Realität ist, ist im Bund derzeit noch weit von der Kanzlermehrheit entfernt. Zudem hat die SPD-Spitze den kollektiven Schwur abgelegt, mit der Linken sei – zumindest derzeit – noch kein Staat zu machen. Wahrscheinlichkeit: 1%

Rot-Rot-Grün:

Wird offiziell noch von SPD und Grünen ausgeschlossen, aber von vielen Mitgliedern an der Basis herbeigesehnt. „Wir wollen eine linke Mehrheit im Bundestag – und eine linke Regierung“, sagt Juso-Chefin Franziska Drohsel bereits ganz offen: „Ausschlussformeln gegenüber der Linkspartei sind von gestern.“ Interne SPD-Planspiele sehen vor, dass 2010 bei der Landtagswahl in NRW Rot-Rot-Grün an die Macht kommen und dann als Vorbild für den Bund dienen könnte. Andererseits haben die führenden Genossen eine Bundesregierung unter Links-Beteiligung für die gesamte künftige Legislaturperiode bis 2013 ausgeschlossen. Viele Konservative schenken dem keinen Glauben und befürchten: Sobald die Mehrheit da ist, kommt das Linksbündnis. Wahrscheinlichkeit: 5%

PS: Laut ZDF-Politbarometer liegt die Union derzeit bei 37 und die SPD bei 27 Prozent. Die Liberalen kommen auf 13, die Linken auf zehn und die Grünen auf neun Prozent. Der ARD-Deutschlandtrend sieht die Union nur bei 34, die SPD ebenfalls bei 27 Prozent. Liberale haben hier 14, Linke zehn und Grüne elf Prozent.

Markus Jox

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