Schwarz-Rot oder Schwarz-Grün: Pro & Kontra
Berlin – In den nächsten Tagen entscheidet sich, ob die Union mit der SPD oder mit den Grünen Koalitionsverhandlungen aufnimmt. Entweder kommt es zum dritten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik zu Gesprächen über eine große Koalition – oder erstmals zu Verhandlungen über ein Bündnis der Traditionsparteien CDU und CSU mit der Ökopartei. Nachfolgend Für und Wider:
Schwarz-Rot:
PRO: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte den Deutschen noch am Wahlabend eines versprochen: stabile Verhältnisse. Eine große Koalition hätte 504 von 631 Abgeordneten (Union: 311, SPD: 193 Sitze). Mehr Stabilität als eine Dreiviertel-Mehrheit ist kaum zu haben. Alle Diskussionen aus schwarz-gelben Zeiten, ob Merkel bei den so wichtigen Entscheidungen wie zur Euro-Rettung eine eigene Mehrheit bekommt, hätten sich erledigt.
Aus Sicht von Washington bis Peking wäre Deutschland sozusagen eine sichere Bank in der internationalen Finanzpolitik – und nicht nur dort. Meinungsumfragen zufolge wünscht sich auch eine klare Mehrheit der Deutschen eine große Koalition. Der Wählerwille wäre berücksichtigt. Außerdem hätte ein solche Regierung auch im Bundesrat mehr Rückhalt.
KONTRA: Solch stabile Verhältnisse in der Regierung führten zu einer schwachen Position der Opposition – nach Ansicht betroffener Politiker sogar zur Schwächung der Demokratie insgesamt. Denn Linke und Grüne könnten mit ihren zusammen nur 20 Prozent der Stimmen wichtige Minderheitenrechte nicht ausüben.
Weder die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Aufklärung möglichen Fehlverhaltens der Regierung noch die Einleitung eines Normenkontrollverfahrens – zur Überprüfung der Vereinbarkeit von Gesetzen mit dem Grundgesetz durch das Verfassungsgericht – wären möglich. Denn all dies müsste jeweils ein Viertel des Bundestags beschließen – Linken und Grünen fehlen 41 Sitze.
Schwarz-Grün:
PRO: Eine schwarz-grüne Koalition in Deutschland könnte ein Gefühl des Aufbrauchs in neue Zeiten vermitteln. Merkel selbst hat ein solches Bündnis vor wenigen Jahren noch als Hirngespinst bezeichnet. Anhänger eines schwarz-grünen Modells beschreiben es indes jetzt als Gewinn, wenn die Union gute Traditionen und die Ordnung in der Republik bewahren könnte und die Grünen für einen moderneren Umgang mit Ressourcen von Mensch, Tier und Natur sorgen würden.
Außerdem hätte die Union eine zusätzliche Koalitionsoption, die nach der unsicheren Zukunft der FDP sonst auf die SPD beschränkt wäre. Die Grünen wiederum könnten aus dem Feld zwischen SPD und Linken ausbrechen, sie bekämen mehr politische Bewegungsfreiheit und damit Regierungschancen.
KONTRA: Hier kommt wieder Merkels Zusicherung von stabilen Verhältnissen ins Spiel. Mit den Grünen hätte die Union zwar auch eine klare Mehrheit von 374 der 631 Abgeordneten (Grüne: 63 Sitze). Aber Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer müssten die Basis der Grünen fürchten, der turbulente Sonderparteitage zu heiklen Entscheidungen mit ungewissem Ausgang zugetraut werden.
Und die Grünen haben in ihrem neuen Führungsteam noch niemanden, dem das nötige Gewicht für Vertrauen, Überzeugung und Gefolgschaft der Mitglieder zugeschrieben wird. Ein Bündnis mit der in Teilen der Partei verhassten Union wäre für die Grünen-Spitze ohnehin nicht leicht zu begründen. Die größte Kompetenz dafür hätte wohl der gescheiterte Spitzenkandidat Jürgen Trittin. Aber er gehört dem linken Grünen-Flügel an und ist derzeit für die Union die größte Reizfigur.