Schwarz-Rot: Die entscheidenden Stunden

In einer Nachtsitzung wollen Union und SPD die letzten Details des Koalitionsvertrags festzurren. Vieles ist aber noch offen  
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Endspurt: CSU-Chef Horst Seehofer und CDU-Chefin Angela Merkel am Dienstagnachmittag vor der SPD-Zentrale.
dpa Endspurt: CSU-Chef Horst Seehofer und CDU-Chefin Angela Merkel am Dienstagnachmittag vor der SPD-Zentrale.

In einer Nachtsitzung wollen Union und SPD bis zum Mittwochfrüh die Details des Koalitionsvertrags festzurren. Vieles ist aber noch offen.

Berlin - Union und SPD machen es wie so mancher Student kurz vor der entscheidenden Diplomarbeit: Den wichtigsten Brocken Arbeit erledigt man erst auf den allerletzten Drücker.

Am Dienstagabend um 19.30 Uhr sind die entscheidenden Stunden in den Koalitionsverhandlungen angebrochen. In einer langen Nachtsitzung mussten CDU, CSU und SPD die immer noch offenen, zentralen Konfliktfelder ausräumen. Am Montag hatte der Grünen-Politiker Malte Spitz den 177-seitigen Entwurf des Koalitionsvertrags online gestellt, nachdem er ihn von mehreren Seiten zugespielt bekommen hatte.

In dem Vertragswerk finden sich noch zig offene Punkte, Anmerkungen in eckigen Klammern und der Vermerk „strittig“. Vor allem die Finanzierung diverser Wahlgeschenke ist auch nach über einem Monat Koalitionsverhandlungen immer noch ungeklärt.

Zuerst wollten sich die potenziellen Partner am Dienstagabend noch einmal in einer großen Runde treffen. Ganz zum Schluss, vermutlich in den frühen Morgenstunden am Mittwoch, wollten Bundeskanzlerin Angela Merkel, Horst Seehofer und Sigmar Gabriel dann noch einmal unter sechs Augen reden – und unter anderem die Ministerposten verteilen.

Am Mittwoch soll dann das Vertragswerk vorgestellt werden – wenn sich die Parteien denn nun endlich einigen können.

Der Wille ist da – aber es wird beinhart. „Das ist noch ein ganz, ganz großes Stück Arbeit“, sagte CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe gestern vor der letzten Sitzung. „Der Tag hat es in sich, da liegen noch dicke Brocken vor uns“, sagte SPD-Unterhändler Hubertus Heil. SPD-Generalin Andrea Nahles warnte: „Das wird eine lange Nacht.“ Und ihr CSU-Kollege Alexander Dobrindt verkündete, er habe sicherheitshalber seine Zahnbürste eingepackt.

Dabei leiden die Koalitionäre allesamt schon unter Schlafentzug – bereits am Dienstag waren sie erst in den frühen Morgenstunden auseinander gegangen. Auf die Frage, ob alles geschafft sei, sagte SPD-Chef Sigmar Gabriel mit rotgeränderten Augen: „Wir sind geschafft!“

Wenigstens kleine Schritte vorwärts hatten Union und SPD in der Nacht zum Dienstag gemacht: So wird der Unionswunsch nach höheren Renten für Mütter, die vor 1992 Kinder geboren haben, wohl erfüllt. Im Gegenzug pocht die SPD auf eine abschlagsfreie Rente ab 63 Jahre für Bürger, die 45 Jahre Beiträge gezahlt haben. Steuererhöhungen soll es nicht geben.

Als Ausgabengrenze haben sich Union und SPD maximal 15 Milliarden Euro gesetzt. Damit dürfte ein Großteil des Geldes weg sein. Auch den gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro bekommt die SPD. Die Union will aber Ausnahmen für Rentner, Langzeitarbeitslose, Erntehelfer und Zeitungsausträger – das ist noch nicht geklärt.

Auch wie die Pkw-Maut geregelt werden soll, ohne dass deutsche Autofahrer belastet werden und EU-Recht verletzt wird, ist noch offen. Überraschend wurden die strengeren Regeln für Managergehälter nach Protesten aus der Wirtschaft wieder gestrichen. Merkel befürchtete eine Neiddebatte, hieß es.

Generell überrascht der Vertragsentwurf durch seine spröde, pragmatische Sprache. Eine Präambel fehlt völlig. Unter welcher Gesamt-Vision steht diese Koalition? Was ist die große Idee, der Überbau? Darauf gibt es keine Antwort. Es ist eben eine Koalition, die keiner so richtig will. Die SPD hat gestern über ihre Strategie für den Fall beraten, dass die Basis Nein sagt. Intern schätzt man die Chancen auf 50:50.

 

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