Schwarz-Grün in Hessen
WIESBADEN Neue Wege in Hessen: CDU-Wahlsieger Volker Bouffier wird den Grünen Koalitionsverhandlungen und ein Regierungsbündnis anbieten – und nicht der SPD. Das bestätigte am Freitag auch SPD-Chef Thorsten Schäfer-Gümbel. Es wäre die erste schwarz-grüne Koalition in einem Flächenland – und ein wichtiges Signal.
Koalitionsgespräche müssen nicht zwangsläufig in eine gemeinsame Regierung münden. Aber es wurde aufmerksam registriert, dass die CDU diese Gespräche den Grünen anbietet und eben nicht die ebenso mögliche, traditionelle große Koalition sucht. Und: Nach acht Wochen Sondierungsgesprächen mit beiden Seiten dürften die potenziellen Partner schon einigermaßen abgeklopt haben, ob was draus werden kann.
Bouffier wollte seine Entscheidung am Abend verkünden, die Grünen wollen am heutigen Samstag einen Entschluss fassen. Aber die Signale in Wiesbaden waren klar: „Die schwarz-grünen Verhandlungen sind sehr vielversprechend verlaufen“, so ein CDU-Unterhändler. SPD-Mann Schäfer-Gümbel erklärte, Bouffier habe ihn angerufen und gesagt, dass er sich gegen Verhandlungen mit der SPD entschieden habe. Schäfer-Gümbel gab sich gelassen: „Das kam nicht überraschend. CDU und Grüne haben in zentralen Fragen eine größere Nähe.“ Die SPD, deren Basis auch in Hessen ein Bündnis mit der CDU sehr skeptisch sieht, werde selbstbewusst in die Opposition gehen.
Als größte Hürde für ein schwarz-grünes Bündnis galt lange der Frankfurter Flughafen. Die Grünen haben im Wahlkampf für mehr Lärmschutz gekämpft, die CDU sieht ihn als unverzichtbaren Jobmotor, der nicht gebremst werden darf. Wie es hieß, sind sich beide Seiten in den Sondierungsgesprächen hier aber deutlich nähergekommen.
Volker Bouffier - der Beckstein von Hessen
Jetzt wollen sie es also miteinander versuchen: Volker Bouffier von der CDU und Tarek al-Wazir von den Grünen. Bouffier gilt als „Günther Beckstein der Hessen-CDU“: jahrelang überaus loyaler Kronprinz des dominanten Weggefährten – hier Roland Koch, da Edmund Stoiber. Beide in der Rolle des Innenministers, als harter Hund und schwarzer Sheriff. Und bei beiden in den letzten Jahren die Ahnung, dass das Image vielleicht nicht (mehr) stimmt. Als Landesvater hat Bouffier seinen Haudegen-Habitus abgestreift. Jetzt zeigt er sich leutselig und erdverbunden – kein anderer Politiker liest so inbrünstig im Kindergarten vor. Er ist ein Familienmensch, dem wichtig ist, dass Harmonie zwischen allen herrscht. Auch mit der Linken hat er bei der Energiewende den Kompromiss gesucht.
Sein grüner Partner ist sogar der beliebteste Politiker des Landes, pragmatisch und in der Partei unangefochten. Sein Name al-Wazir – der Vater stammt aus dem Jemen – bedeutet übrigens „Minister“.
Dazu passend: Auch in Berlin gründet sich jetzt ein neuer schwarz-grüner Zirkel. „Es geht ums Kennenlernen“, sagt Jens Spahn (CDU).