Schulz zu CSU: "Ihr habt den Karren an die Wand gefahren"

Die SPD hadert massiv mit einer neuen großen Koalition. Führende Genossen wollen lieber eine Minderheitsregierung, bei der sich Kanzlerin Merkel für jedes Projekt Mehrheiten suchen müsste. Martin Schulz schaltet derweil auf Attacke.
von  Georg Ismar, dpa
SPD-Chef Martin Schulz
SPD-Chef Martin Schulz © dpa

Berlin - Mit scharfen Worten hat sich SPD-Chef Martin Schulz vor ersten Gesprächen über eine Regierungsbeteiligung gegen Kritik aus der Union gewehrt.

Mit Blick auf Äußerungen von CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt, es sei gut wenn die SPD jetzt aus ihrer Schmollecke herauskomme, betonte Schulz zum Abschluss des SPD-Bundesparteitags am Samstag in Berlin: "Wir sitzen nicht in einer Schmollecke, aber Ihr habt den Karren an die Wand gefahren."

Zu Dobrindts Kritik, Schulz sei wegen seines Vorschlags für die Schaffung der Vereinigten Staaten von Europa ein Europaradikaler meinte der SPD-Chef: "Ja, Herr Dobrindt (...) Wir sind radikale Pro-Europäer." Die anderen Parteien hätten mit dem Scheitern der Jamaikaverhandlungen von Union, FDP und Grünen das Land in eine schwierige Situation manövriert. Jetzt solle die SPD Verantwortung übernehmen. "Wie wir sie übernehmen, das entscheidet die SPD selbst, dazu lassen wir uns keine Lektionen von anderen erteilen."

Zweifel an Großer Koalition

Die entscheidende Frage sei, wie das Leben der Menschen in diesem Lande besser gemacht werden könne. Es gehe darum, Europa besser zu machen, die Renten zu sichern und massiv im Pflegebereich zu investieren. Wohnen dürfe zudem kein Luxusprojekt sein. Wenn man Entsprechendes umsetzen könne, "dann müssen wir die Chancen ergreifen und nutzen", so Schulz. "Wir drücken uns nicht davor, Verantwortung zu übernehmen, wie andere in diesem Lande", meinte er mit Blick auf die FDP, die den Abbruch der Jamaika-Verhandlungen erklärt hatte.

In der SPD wachsen vor dem ersten Gespräch am Mittwoch mit der Union aber die Vorbehalte gegen eine erneute große Koalition. Die neue stellvertretende SPD-Vorsitzende und Landeschefin in Bayern, Natascha Kohnen, sagte der Passauer Neuen Presse: "Ich plädiere dafür, andere Wege als eine Neuauflage von Schwarz-Rot zu suchen." Die SPD müsse mutig sein. "Dazu gehört es, intensiv über eine Minderheitsregierung zu diskutieren und uns nicht einfach wieder vor den Karren von Bundeskanzlerin Angela Merkel spannen zu lassen."

Dabei müsste sich Merkel für jedes Projekt Mehrheiten im Bundestag suchen - Bundeskanzlerin Angela Merkel lehnt das als zu unsicher ab.

Unionsfraktionschef Volker Kauder wies die Vorstellung zurück, die SPD könne die Union als Preis für eine Regierungsbeteiligung zu massiven Zugeständnissen zwingen. "Das bedeutet kompromissfähig zu sein.", sagte der CDU-Politiker dem "Tagesspiegel" (Sonntag). Eine "absolute Kernforderung" der Union sei die Umsetzung des CDU/CSU-Kompromisspapiers zur Zuwanderung, demnach soll der Zuzug von Flüchtlingen nach Möglichkeit auf rund 200.000 Menschen pro Jahr begrenzt werden. Dazu gehöre es auch, den Familiennachzug für Flüchtlinge mit nur eingeschränktem Schutzstatus weiter auszusetzen.

Auch Dreyer für Minderheitsregierung

Die SPD hingegen pocht in ihren elf Leitlinien für die Gespräche mit der Union darauf, den Familiennachzug wieder zuzulassen. Der CDU-Vorstand will an diesem Sonntag und Montag über das weitere Vorgehen zur Regierungsbildung beraten. Kauder machte deutlich, dass er sich eine Neuauflage der großen Koalition wünscht. "Wenn wir Europa in dieser unruhigen Welt stärken wollen, brauchen wir stabile Mehrheiten", sagte er. Eine Minderheitsregierung oder Duldungsmodelle lehne er ab. "Ich halte davon überhaupt nichts", sagte Kauder.

Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer hält die Tolerierung einer CDU/CSU-Minderheitsregierung durch die SPD dagegen für die beste Lösung. Dreyer, die mit dem besten aller Ergebnisse vom Parteitag zur Bundesvize aufgestiegen ist, sagte der "Allgemeinen Zeitung Mainz": "Ich präferiere nach wie vor ein Tolerierungsmodell." Sie könne sich vorstellen, mit der Union einen Tolerierungsvertrag über Politikfelder zu schließen, auf denen eine breite Mehrheit unerlässlich sei, etwa bei Europa-Themen und der Außenpolitik.

Am Donnerstag hatte der SPD-Bundesparteitag in Berlin beschlossen, ergebnisoffen in Gespräche mit der Union zu gehen. Parteichef Schulz und Fraktionschefin Andrea Nahles stehen bei den Gesprächen mit CDU-Chefin und Kanzlerin Bundeskanzlerin Angela Merkel, CSU-Chef Horst Seehofer, Kauder und Dobrindt am Mittwoch in Berlin unter starkem Druck.

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