Schuhwerfer hat weltweite Fangemeinde

Während der irakische Journalisten in Haft sitzt und möglicherweise misshandelt wird, feiern ihn die arabischen Medien. Und auch die ersten Internet-Spiele sind erfunden: Dort kann man sich am US-Präsidenten austoben.
«Jeder Mensch kann für 15 Minuten ein Star sein», philosophierte einst Popkünstler Andy Warhol. Der irakische Journalisten Montasser al-Saidi brauchte für seinen Weg zum Ruhm gerade einmal fünf Sekunden und wird seine Popularität sicher noch etwas länger ausdehnen können. Denn obwohl viele Kommentatoren das «unzivilisierte und unprofessionelle» Verhalten des Fernsehreporters gerügt haben, der am vergangenen Sonntag seine Schuhe auf US-Präsident George W. Bush geworfen hat: «Montasser und die Schuhe der Freiheit» sind jetzt schon Kult.
Im Internet kann, wer an primitiven Späßen Freude hat, verschiedene Computerspiele mit Namen wie «Sock and Awe» (Socke und Schrecken) oder «The Bush-Game» finden, bei denen es darum geht, einer tänzelnden Bush-Figur einen Schuh an den Kopf zu werfen. Auf der Website des Netzwerkes Facebook haben sich schon Hunderte Menschen von der Türkei bis Bangladesch als «Fans» von Al-Saidi registrieren lassen. Doch auch Bush-Gegner erklären in den Internet-Foren: «Hut ab vor der sportlichen Leistung des US-Präsidenten, der den pfeilschnell heransausenden Schuhen des Irakers geschickt ausgewichen ist.»
Die anti-amerikanische irakische Nachrichtenagentur INA veröffentlichte am Mittwoch gleich mehrere arabische Heldengedichte über Al-Saidi, die in den vergangenen Tagen im Jemen, in Saudi-Arabien, Ägypten und im Irak geschrieben wurden. In einem Gedicht, das den Titel «Wirf Deine Schuhe!» trägt, heißt es: «Jede Frau wünscht sich, Montasser in ihrer Gebärmutter getragen zu haben.»
Irakische «Massenvernichtungsschuhe»
Einer der vielen Schuhwerfer-Witze, die seit Sonntag entstanden sind, lautet: Welche drei Schuhe haben Geschichte geschrieben? Der Schuh von Cinderella, der Schuh von Nikita Chruschtschow (mit dem der sowjetische Partei- und Regierungschef 1960 während einer Rede bei den Vereinten Nationen auf den Tisch schlug) und der Schuh von Montasser. Auch die Karikaturisten hat die Schuh-Attacke von Bagdad inspiriert. Eine arabische Karikatur zeigt Bush, der mit ernster Miene fordert: «Der Irak muss alle Programme zur Herstellung von Massenvernichtungsschuhen offenlegen.» Andere arabische Humoristen stellen unter der Überschrift «Wegducken in Bagdad» eine Parallele zwischen Bushs erfolgreichem Ausweichmanöver und dem Bagdad-Besuch von UN-Generalsekretär Ban Ki Moon her. Der UN-Chef war während einer Pressekonferenz mit dem irakischen Ministerpräsidenten Nuri al-Maliki in Bagdad im März 2007 kurz auf Tauchstation gegangen, als in der Nähe eine Mörsergranate einschlug. Al-Maliki hatte damals - genau wie auch während des Angriffs von Schuhwerfer Al-Saidi - ungerührt und stoisch neben seinem ausländischen Gast gestanden.
Familie wurde nach Hause geschickt
Wie schon am Dienstag berichtet, verdächtigt der Bruder des Schuhwerfers die irakischen Staatsbediensteten, Muntadhar al Seidi misshandelt zu haben. ER sollte am Mittwoch vor Gericht erscheinen, wurde stattdessen aber im Gefängnis von einem Richter aufgesucht, wie sein Bruder Dhargam erklärte. Der Termin abseits der Öffentlichkeit «bedeutet, dass mein Bruder schlimm geschlagen wurde und sie fürchten, dass sein Aussehen bei Gericht Ärger hervorrufen könnte», sagte Dhargam al Seidi.
Hitzige Debatte im Parlament
Der Zwischenfall vom Dienstag sorgte am Mittwoch für wütende Szenen im irakischen Parlament: Während einer Debatte über den geplanten Abzug der US-Truppen sagten dem radikalen schiitischen Geistlichen Muktada al Sadr nahestehende Abgeordnete, der Schuhwurf auf Bush sei ein wichtigeres Thema. Die Abgeordneten diskutierten daraufhin darüber, ob Muntadhar al Seidi freigelassen werden solle. Es kam zu Streit, Parlamentspräsident Mahmud al Maschhadani trat zurück. Al Maschhadani Büro sagte, möglicherweise habe der Parlamentspräsident seine Worte nicht ernst gemeint. Der für sein hitziges Temperament bekannte Sunnit hatte schon in der Vergangenheit mit einem Rücktritt gedroht und wurde wegen ungebührlichen Verhaltens gegenüber Ministerpräsident Nuri al-Maliki bereits vorübergehend zwangsbeurlaubt. (dpa/AP)