Schreiber war von Anfang an die Schlüsselfigur
AUGSBURG - Die CDU-Spendenaffäre, die unter anderem zum Rückzug Wolfgang Schäubles als Parteichef und zur Nominierung von Bundeskanzlerin Angela Merkel als seiner Nachfolgerin führte, begann unscheinbar und weitete sich erst langsam zum Skandal. Eine Chronolgie der Ereignisse.
Der Waffenlobbyist Karlheinz Schreiber, der sich seit Montag vor dem Augsburger Landgericht verantworten muss, war von Anfang an die Schlüsselfigur in der CDU-Spendenaffäre. Denn seine Tischkalender für die Jahre 1991 und 1994, die Augsburger Staatsanwälte 1995 beschlagnahmten, erwiesen sich als die wichtigsten Beweisstücke. Mit ihnen entschlüsselten die Ermittler ein System aus Tarnnamen, Kürzeln und damit verbundenen Kontobewegungen.
Die wesentlichen Ereignisse dieser Affäre:
4. November 1999 - Das Amtsgericht Augsburg erlässt Haftbefehl gegen den früheren CDU-Schatzmeister Walther Leisler Kiep wegen des Verdachts, er habe 1991 eine Million Mark erhalten und nicht versteuert. Der Haftbefehl wird kurz darauf aufgehoben.
29. November - Die CDU in Hessen erklärt den starken Anstieg ihrer «sonstigen Einnahmen» in den Jahren 1989 und 1991 mit zwei anonymen Erbschaften. Der ehemalige Landesschatzmeister Casimir Prinz Wittgenstein erklärt später, die «Vermächtnisse» stammten vermutlich von jüdischen Emigranten.
30. November - Der ehemalige Bundeskanzler und CDU-Vorsitzende Helmut Kohl übernimmt die politische Verantwortung für Fehler bei den CDU-Finanzen in seiner Amtszeit. Doch weist er Vorwürfe zurück, politische Entscheidungen seien käuflich gewesen.
2. Dezember - Der Bundestag setzt einen Untersuchungsausschuss ein, der vor allem klären soll, ob Parteispenden Einfluss auf politische Entscheidungen der Regierung Kohl hatten.
16. Dezember - Kohl räumt ein, dass er in den 90er Jahren 1,5 bis zwei Millionen Mark Spenden in bar entgegengenommen und an den Büchern seiner Partei vorbei geschleust habe. Die Namen der Spender nennt er bis heute nicht.
22. Dezember - Krisensitzung des CDU-Präsidiums ohne Kohl. Generalsekretärin Bundeskanzlerin Angela Merkel fordert ihre Partei in einem spektakulären Artikel auf, sich von Kohl zu lösen.
3. Januar 2000 - Die Staatsanwaltschaft Bonn nimmt Ermittlungen gegen Kohl wegen Verdachts der Untreue auf.
14. Januar - Der ehemalige hessische CDU-Vorsitzende Manfred Kanther räumt ein, 1983 acht Millionen Mark der Landes-CDU ins Ausland transferiert und Rücküberweisungen als Vermächtnisse oder Kredite getarnt zu haben.
17. Januar - Die Staatsanwaltschaft Wiesbaden leitet Ermittlungen gegen Kanther, Wittgenstein und CDU-Finanzberater Horst Weyrauch ein.
18. Januar 2000 - Präsidium und Vorstand der CDU brechen mit ihrem Ehrenvorsitzenden. Kohl legt von sich aus den Ehrenvorsitz nieder.
19. Januar - Merkel bestätigt, dass bei der Überprüfung der CDU-Kassenbücher weitere Millionen unbekannter Herkunft aus der Amtszeit Kohls entdeckt worden seien. 27. Januar - Der hessische CDU-Chef und Ministerpräsident Roland Koch berichtet, 1983 seien nicht acht, sondern 18 Millionen Mark in die Schweiz transferiert worden.
8. Februar - Koch räumt ein, dass er in der Finanzaffäre gelogen hat. Zuflüsse von 1,5 Millionen Mark im Jahr 1998, angeblich ein Darlehen Wittgensteins, stammten in Wirklichkeit von einem weiteren Tarnkonto der Partei.
15. Februar - Bundestagspräsident Wolfgang Thierse verhängt gegen die CDU wegen falscher Rechenschaft eine Buße von 41,3 Millionen Mark. Das Bundesverfassungsgericht bestätigt dies 2004.
16. Februar - Schäuble kündigt seinen Rückzug vom Partei- und Fraktionsvorsitz an.
9. März - Kohl gibt die Ergebnisse einer eigenen Spendensammelaktion über gut sechs Millionen Euro bekannt, die den finanziellen Schaden durch seinen Umgang mit Parteispenden wieder gut machen soll.
Höchstmögliche Geldstrafe
17. März - Die Augsburger Staatsanwaltschaft erhebt Anklage gegen Kiep, den Waffenhändler Karlheinz Schreiber sowie die ehemaligen Thyssen-Manager Jürgen Maßmann und Winfried Haastert. Die Anklage gegen Kiep wird später von zwei Gerichtsinstanzen als unbegründet abgewiesen. Maßmann und Haastert werden letztinstanzlich im Januar 2007 zu Bewährungsstrafen verurteilt.
23. März - Der Parteispendenuntersuchungsausschuss des Bundestages belegt den früheren CDU-Hauptabteilungsleiter Terlinden wegen Aussageverweigerung mit der höchstmöglichen Geldstrafe von 1.000 Mark und droht Beugehaft an.
10. April - Bundeskanzlerin Angela Merkel wird auf einem Bundesparteitag in Essen zur neuen CDU-Vorsitzenden gewählt.
25. Mai 2001 - Die Staatsanwaltschaft Wiesbaden erhebt Anklage gegen Kanther, Wittgenstein und Weyrauch wegen Untreue und Beihilfe dazu.
13. Juli 2004 - Der als Schlüsselfigur in der CDU-Parteispendenaffäre geltende und mit Haftbefehl gesuchte ehemalige Verteidigungsstaatssekretär Ludwig-Holger Pfahls wird in Paris festgenommen.
18. April 2005 - Kanther wird wegen gemeinschaftlich begangener Untreue zu eineinhalb Jahren Haft auf Bewährung und einer Geldbuße von 25.000 Euro verurteilt, Finanzberater Weyrauch wegen Beihilfe zu einer Geldstrafe von 61.200 Euro.
12. August - Exstaatssekretär Pfahls wird vom Landgericht Augsburg zu zwei Jahren und drei Monaten Haft wegen Vorteilsnahme und Steuerhinterziehung verurteilt.
11. Januar 2007 - Der Bundesgerichtshof verurteilt die ehemaligen Thyssen-Manager Maßmann und Haastert letztinstanzlich zu Bewährungsstrafen. damit werden frühere höhere Urteile aufgehoben.
27. September 2007 - In einem zweiten Prozess verurteilt das Landgericht Wiesbaden Exinnenminister Kanther zu einer Geldstrafe von 54.000 Euro. Weyrauch muss 45.000 Euro zahlen.
3. August 2009 - Der ehemalige Waffenlobbyist Schreiber wird von Kanada ausgewiesen, nach Deutschland abgeschoben und nach der Landung in München festgenommen.
18. Januar 2010 - Vor dem Augsburger Landgericht beginnt der Prozess gegen Schreiber wegen Steuerhinterziehung in Millionenhöhe, Bestechung des Verteidigungsstaatssekretärs Ludwig-Holger Pfahls und Beihilfe zur Untreue vorgeworfen.
(apn)