Schreiber in Deutschland: „Ich werde denen noch ne Schlacht liefern!“
Wie gefährlich können Schreibers Enthüllungen für die Union werden? Die CDU kann von der Spendenaffäre eingeholt werden. Die CSU vom langen Schatten des Übervaters Franz Josef Strauß
Am Montag um 9.22 Uhr war sein Kampf gegen die Auslieferung vorbei: Flug Air Canada 846 landet auf dem Münchner Flughafen, der den Namen seines Freundes Franz Josef Strauß trägt. Der ehemalige Waffenlobbyist Karlheinz Schreiber ist zurück, nach fast zehn Jahren Exil in Kanada. Vier Beamte des Bundeskriminalamts nehmen ihn fest. In einer silbernen Limosine geht es nach Augsburg, ein Polizeibus mit Blaulicht fährt voraus. Um 11.45 Uhr wird er in die Justizvollzugsanstalt Augsburg eingewiesen. Seine Zelle hat Bett, Tisch, Stuhl, Schrank, Waschbecken und Toilette. Zum Mittagessen gab es gestern Putengemüsecurry mit Reis.
Am Tag zuvor hatten die kanadischen Behörden Schreiber ausgewiesen, nachdem ein Gericht seinen Widerspruch gegen die Auslieferung abgewiesen hatte. Zehn Jahre lang hatte sich der Deutsche, der auch einen kanadischen Pass besitzt, mit Hilfe seiner teuren Anwälte gegen seine Auslieferung gewehrt. Am heutigen Dienstag soll er dem Haftrichter vorgeführt werden. Die Augsburger Staatsanwälte werfen ihm Bestechung, Steuerhinterziehung, Beihilfe zur Untreue und Beihilfe zur Bestechung vor. Ihm drohen bis zu 15 Jahre Haft.
Der heute 75 Jahre alte Mann hat in den 80er und 90er Jahren Millionenbeträge der Rüstungsindustrie über Tarnkonten an Politiker und Industrielle verteilt. Er sorgte dafür, dass bei Waffen-Deals alle verdienten: die Unternehmen, die Politiker – und er selbst. Die CDU-Spendenaffäre, die durch Ermittlungen gegen ihn aufflog, brachte die CDU in ihre schwerste Krise (siehe unten). Auch mit der CSU war Schreiber eng verbandelt: Er war der Vertraute von Franz Josef Strauß, nahm dessen Sohn Max unter seine Fittiche und fädelte mit ihm Waffen-Deals ein. Später musste Max Strauß vor Gericht, wurde aber freigesprochen, weil ihm die Ermittler nicht nachweisen konnten, dass er von Schreiber Provisitonszahlungen erhalten und diese nicht versteuert hatte.
Bislang hat Schreiber stillgehalten und seine ehemaligen Partner aus Politik und Wirtschaft geschont. Was jetzt passieren wird, hat er aber vor seiner unfreiwilligen Abreise selbst versprochen: Seine Rückkehr werde „Riesenzirkus sowie eine Untersuchung auslösen und Kanzler Kohl und alle wären dabei“.
Er hat der CDU und Kanzlerin Bundeskanzlerin Angela Merkel mit Enthüllungen gedroht, und er hat seinerzeit Drohbriefe an den damaligen Ministerpräsidenten und CSU-Chef Stoiber geschrieben. Er hat gesagt: „Ich fühle mich wie die Katze auf der Kiste mit Mäusen und überlege mir, welche ich als erste fresse.“ Schreiber tönte: „Ich werde denen noch ne Schlacht liefern, da können die sich drauf verlassen“, hatte Schreiber angekündigt. Das können Prahlereien eines Durchgeknallten sein – aber eben auch nicht.
In erster Linie gelten die Drohungen der CDU-Riege aus Kohl-Zeiten. Aus dieser Zeit ist nur noch Innenminister Wolfgang Schäuble aktiv. Schreiber hatte Schäuble angedroht, er werde ihn „in ein so tiefes Loch stürzen, dass er den Aufprall nicht hört“.
Doch auch Bundeskanzlerin Angela Merkel dürfte sich nicht über die Ankunft des geschwätzigen Ex-Lobbyisten freuen: Schließlich kommen durch Schreibers Ankunft in Deutschland die Erinnungen an die Spendenaffäre wieder hoch. Jedes noch so kleine Detail wird die SPD im Bundestagswahlkampf ausbreiten – obwohl ein Prozess wohl erst nach der Bundestagswahl stattfinden wird.
Die SPD freut sich natürlich. Die Genossen haben auch kräftig nachgeholfen: In der vergangenen Woche hat SPD-Justizministerin Brigitte Zypries ihren kanadischen Amtskollegen darum gebeten, das Auslieferungsverfahren abzuschließen. Per Brief hatte sich Schreiber noch an Bundeskanzlerin Angela Merkel gewandt und sie um Hilfe gebeten – doch der Brief kam zu spät. Die Kanzlerin ließ eiligst erklären, dass sie Schreiber auch nicht geholfen hätte, wenn der Brief rechtzeitig angekommen wäre.
Doch auch der CSU, die bislang von der Spendenaffäre nahezu unberührt blieb, dürfte die Auslieferung Schreibers nicht behagen. Zum einen könnte Schreiber freimütig über das Amigo-System von Franz Josef Strauß plaudern. Das kommt natürlich nicht gut in Zeiten, in denen Parteichef Horst Seehofer mit dem „Genie“ FJS für die CSU wirbt.
Dann dürfte auch die Frage laut werden, ob und wie die Staatsregierung bei den Ermittlungen gegen Schreiber Einfluss auf die Ausburger Staatsanwaltschaft genommen hat. Der Staatsanwalt Winfried Maier, der die Spendenaffäre aufgedeckt hatte, hatte kritisiert, dass seine Leute massiv an der Arbeit behindert worden seien.
Das alles wird Horst Seehofer nicht gefallen, wo er doch gerade seine CSU mit der Familie Strauß versöhnt hat und der umstrittenen Strauß-Tochter Monika Hohlmeier einen Job im EU-Parlament verschafft hat. Er sagt: „Ich kann ihnen garantieren, dass die Justiz in ihrer Unabhängigkeit ihre Arbeit machen wird.“ Er sehe möglichen Enthüllungen „gelassen“ entgegen.
Volker ter Haseborg