Schreiber: Im Knast führt er das große Wort

Vor Gericht schweigt der Waffenlobbyist. Der 75-Jährige lässt eine Erklärung verlesen, nachder er nicht mehr war als der Geldbote von Politikern, deren Namen er nicht nennen will
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Der angeklagte Waffenlobbyist Karlheinz Schreiber
dpa Der angeklagte Waffenlobbyist Karlheinz Schreiber

Vor Gericht schweigt der Waffenlobbyist. Der 75-Jährige lässt eine Erklärung verlesen, nachder er nicht mehr war als der Geldbote von Politikern, deren Namen er nicht nennen will

Er habe Wolfgang Schäuble als Bundeskanzler verhindert und mit Bundeskanzlerin Angela Merkel telefoniert, prahlte Karlheinz Schreiber – aber nur im Knast, wo er vor seinen Mithäftlingen ausführte, was für eine toller Hecht er ist. Vor dem Augsburger Kadi dagegen schweigt der Waffenlobbyist, der die CDU-Spendenaffäre auslöste. Im Gerichtssaal macht sich die „Schlüsselfigur“ einer der größten Polit-Affären ganz klein, stellt sich im Millionen-Deal um Fuchs-Panzer, Air-busse und Hubschrauber als harmlosen Geldboten dar. Er bestreitet alles. Schiebt alle Verantwortung auf die Politiker. Droht ihnen. Verrät aber nichts. Und lässt andere für sich reden.

„Ich will meine Bedeutung nicht herunterspielen“, verliest Rechtsanwalt Jan Olaf Leisner eine fünfseitige Erklärung. Bei allen Geschäften habe es sich um „Projekte mit Regierungsbeteiligung“ gehandelt, verteidigt sich Schreiber darin. „Wo man hinschaut, waren Politiker involviert.“

Alle wesentlichen Weichenstellungen seien von Politikern vorgenommen worden. Er habe häufig Kontakt zu einflussreichen Personen gehabt und einige davon bezeichne er auch als seine Freunde. „Man hat mir in diesen Kreisen Vertrauen geschenkt. Ich hatte dabei eine wichtige Rolle bei der Verteilung von nicht mir gehörenden Geldern. Es sind Millionenbeträge über ausländische Konten gelaufen, die formal mir zu gehören schienen. Dahinter standen jedoch andere Personen.“ Welche? Das verrät der Angeklagte nicht.

Vor allem Franz Josef Strauß lobt er, den verstorbenen CSU-Chef und bayerischen Ministerpräsidenten, in dessen Dunstkreis er aufgestiegen war vom Teppichhändler und Straßenmarkierer zum weltweiten Verhandler. Ihn nennt er „Weggefährte, Freund und Geschäftspartner“. Besonders seinem Einsatz seien die Airbus-Verkäufe zu verdanken. Strauß sei bei allen Geschäften beteiligt gewesen. Nur bei den Fuchs-Panzern nicht. „Die Zusagen, die ich ihm gemacht habe, habe ich auch nach seinem Tod gehalten“, leiert Schreibers Anwalt herunter. Welche? Darüber verliert Schreiber natürlich kein Wort.

Die Augsburger Ermittler waren sicher, dass Millionen-Provisionen für Strauß auf das Tarnkonto „Master“ geflossen sind und nach dessen Tod auf das Konto „Maxwell“ auf Sohn Max vererbt wurden. Vor Gericht kamen sie damit aber nicht durch. Max Strauß wurde in zweiter Instanz freigesprochen.

„Ein weiterer wichtiger Punkt für die agierenden Politiker sei die Parteien- und Wahlkampffinanzierung gewesen“, schwurbelt Schreiber. „Politiker können eine große Kreativität entwickeln, wenn es darum geht, Einnahmequellen zu erschließen.“

Im schwarzen Blazer mit goldenen Knöpfen und blassem Gefängnis-Teint sitzt der Mann, der sich immer an diejenigen in der ersten Reihe anwanzte, nun in der zweiten Reihe der Angeklagten-Bank. Die Sitzplätze der ersten Reihe bleiben leer. Konzentriert lauscht er seinem Anwalt, der neben ihm steht, als fürchte er, der könne die entscheidenden Sätze der Erklärung auslassen. Zehn Jahre haben die Ankläger auf diesen Moment gewartet.

Jetzt scheint Schreiber selbst überrascht zu sein. „Oh!“, entfährt es ihm, als er den Gerichtssaal betritt und in ein Blitzlichtgewitter blickt. Dann gibt er ganz den Weltmann und wünscht mit brüchiger Stimme: „Ein gutes neues Jahr für alle“.

„Ist das Ihre Erklärung?“, fragt der Vorsitzende Richter Rudolf Weigell den Angeklagten nach dem Vortrag des Anwalts. „Exakt“, antwortet Schreiber mit fester Stimme. „Das war ja recht allgemeiner Natur“, rügt Weigell. Schreiber verzieht keine Miene. Doch mit dieser Masche kommt er nicht davon. „Ich will konkrete Angaben“, sagt Weigell und gibt ihm bis Mittwoch eine Hausaufgabe auf: „An wen wurden welche Beträge weitergeleitet?“ Der Richter hat eine elegante Drohung parat: „Der allgemeine Hinweis, ich habe alles verteilt, an wen weiß ich nicht mehr, läuft Gefahr, zu allgemein gehalten zu sein.“

Im Untersuchungsgefängnis gleich neben dem Augsburger Dom hat Schreiber nun bis Mittwoch Zeit nachzudenken. Dort hat er mit seinen Plaudereien angeblich sogar die Gefängniswärter um den Finger gewickelt. Gestern hieß es: „Die halten ihm schon die Tür auf – wie im Hotel.“

Angela Böhm

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