"Schrecklicher Freitag": Kriegsbeginn vor 70 Jahren

Heute vor 70 Jahren hat der Zweite Weltkrieg begonnen. Die AZ hat mit Münchner Zeitzeugen wie Charlotte Knobloch, Präsidentin des Zentralrats der Juden, gesprochen und sie gefragt, wie sie den 1. September 1939 erlebt haben.
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Heute vor 70 Jahren hat der Zweite Weltkrieg begonnen. Die AZ hat mit Münchner Zeitzeugen wie Charlotte Knobloch, Präsidentin des Zentralrats der Juden, gesprochen und sie gefragt, wie sie den 1. September 1939 erlebt haben.

Seit 5.45 Uhr wird zurückgeschossen!“ Es klingt, als hätten sich die Soldaten der Wehrmacht nur verteidigt. Aber in Wahrheit ist das Deutsche Reich der Angreifer. An diesem Freitag, 1. September 1939, überfallen Hitlers Truppen das benachbarte Polen und lösen dadurch den Zweiten Weltkrieg aus. Dass sich Hitler die Macht im Rheinland, Saarland, Österreich, im Sudetenland und der „Rest-Tschechei“ griff, nahmen Großbritannien, Russland und die USA hin. Doch der Überfall auf Polen war zu viel. Polens Verbündete Großbritannien und Frankreich erklären Deutschland am 3. September den Krieg. Es folgen Hitlers wahnsinnige Feldzüge nach West und Ost. Dann schlagen die Alliierten zurück. Ihr Luftkrieg über Deutschland legte ganze Städte in Schutt und Asche, macht Millionen obdachlos. In den knapp sechs Kriegsjahren sterben rund 60 Millionen Menschen. Die Nazis ermorden sechs Millionen Juden in den Konzentrationslagern. Die AZ hat mit Münchner Zeitzeugen gesprochen und sie gefragt, wie sie den 1. September 1939 erlebt haben.

„Katastrophale Stimmung“

Charlotte Knobloch (76): „Am 1. September 1939 saß ich mit meiner Großmutter auf einer Bank, als sie mir sagte, dass der Krieg ausgebrochen war. Ich verbrachte damals viel Zeit mit meiner Großmutter, die, nachdem sich meine Mutter 1936 von meinem Vater hatte scheiden lassen, einen Mutterersatz für mich darstellte. Sie war sich sicher, dass das eine schreckliche Zeit für uns werden würde. Sie ist 1944 im Ghetto Theresienstadt gestorben. Wie auch schon in den Jahren vorher hatte ich bei Kriegsausbruch das Gefühl, allein und verlassen zu sein. Die jüdischen Menschen in meinem Bekanntenkreis waren in einer katastrophalen Stimmungslage. Der Vernichtungskrieg, den die Nazi-Verbrecher vom Zaun brachen, war für uns eine Bestätigung dessen, was wir bereits früh vermutet hatten. 1942 brachte mich mein Vater zu einer ehemaligen Hausangestellten meines Onkels, um mich dort zu verstecken. Die anderen Dorfbewohner glaubten, ich sei die uneheliche Tochter der Bäuerin. So überlebte ich den Holocaust. Mein Vater überlebte die Zwangsarbeit und holte mich nach Ende des Krieges nach München."

„Ein großes Unglück“

Hugo Strasser (87): „Meine Mutter hat vom Überfall im Radio gehört und es mir erzählt. Sie sagte, dass jetzt ein großes Unglück auf uns zukommt. Ich war damals Student an der Münchner Musikakademie und wollte Musiker werden. Durch den Kriegsausbruch hatte ich Angst, dass ich meinen Traum nicht mehr verwirklichen kann. Mein Lehrer hat mich versucht, zu beruhigen. Er sagte, die Leute wollten sich auch in Krisenzeiten ablenken. Meine Mutter war sehr katholisch und davon überzeugt, dass Hitler Unglück über uns bringen würde. Mein Vater war 1939 von den Nazis verhaftet worden, weil er Mitglied der königstreuen Partei war. Dadurch hat sich der Hitler-Hass meiner Mutter auch auf mich übertragen. Beeindruckt von der Show der Nazis war ich trotzdem. Das Militärische war mir aber zuwider. Ich war zwar Mitglied der Hitlerjugend, aber Pfadfinder-Romantik konnte ich da nicht entdecken. Am 1. September 1939 herrschte in meinem Umfeld keine Euphorie. Viele Münchner haben sich aber auch von Hitler mitreißen lassen.“

„Jetzt ist Krieg“

Dorothea Breitenfellner (89): „Meine Mutter hat mich aufgeweckt. Sie sagte zu mir: ,Um Gottes Willen, Dorothea, jetzt ist Krieg!’ Auch wenn es sich in den Jahren vorher abzeichnete, dass der Kurs auf Krieg stand, war es ein Schock für mich, als er dann wirklich ausgebrochen ist. Nach dem Überfall auf Polen waren viele Leute noch zuversichtlich, dass das Ganze nicht lange dauern würde. Mein Vater war dennoch besorgt. Er hatte den Ersten Weltkrieg mitgemacht.“

Christian Plößl

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