Schon der Ausreise-Versuch soll strafbar werden
Dem Staat waren in der Regel die Hände gebunden. Er konnte nur wenig tun, selbst wenn sich Eltern von radikalisierten Muslimen an die Polizei wandten und berichteten, sie hätten konkrete Hinweise darauf, ihr Sohn oder ihre Tochter wolle nach Syrien oder in den Nordirak reisen, um sich der Terrormiliz IS anzuschließen. Zwar konnten die Behörden verdächtigen Islamisten den Reisepass entziehen, doch ein Flug in die Türkei, wozu nur ein Personalausweis benötigt wird, war noch immer möglich.
Das soll sich nach dem Willen der Bundesregierung jetzt ändern. Das Bundeskabinett verabschiedete gestern einen Gesetzentwurf von Justizminister Heiko Maas (SPD), der den Dschihadisten künftig schon auf deutschem Boden das Handwerk legen soll. Demnach kann künftig nicht nur die Ausreise in ein Terrorgebiet, sondern bereits der bloße Versuch der Ausreise unter Strafe gestellt werden, wenn die Reise „dem Zweck der Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat“ dient.
Das Beweis-Problem
Allerdings müssen die Ermittlungsbehörden den Nachweis erbringen, dass der Ausreisewillige sich tatsächlich einer terroristischen Vereinigung anschließen wollte, beispielsweise indem er auf Twitter oder Facebook seine Pläne öffentlich machte oder Eltern und Freunden einen Abschiedsbrief schrieb.
In diesem Falle soll er künftig bereits am Flughafen noch vor dem Verlassen des Landes festgenommen werden, ihm droht eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in „minder schweren Fällen“ von drei Monaten bis fünf Jahre. Außerdem schafft die Bundesregierung einen eigenen Straftatbestand der Terrorismusfinanzierung, um die Finanzquellen von Terrororganisationen wie dem IS trocken zu legen.
600 Deutsche sind bisher in den Dschihad gereist
Vor kurzem hatte die Regierung bereits beschlossen, dass Terrorverdächtigen nicht nur der Reisepass, sondern auch der Personalausweis abgenommen werden kann, das Gesetz befindet sich aber noch in der parlamentarischen Beratung. Als eines der ersten Länder weltweit setzt Deutschland damit eine im letzten September beschlossene Resolution der Vereinten Nationen um, mit der die Gefahr, die durch ausländische Kämpfer ausgeht, eingedämmt werden soll.
Bislang sind nach den Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden rund 600 junge Männer und Frauen aus Deutschland in den Dschihad gereist, rund 200 kehrten zurück.
Der Bund Deutscher Kriminalbeamter übte heftige Kritik an der geplanten Strafrechtsverschärfung. Es handele sich dabei um „juristische Turnübungen für die Galerie“, sagte der Vorsitzende Andy Neumann.