Schlafwagen-Tempo: Warum ist der Bundestags-Wahlkampf eigentlich so lasch?

Es gab in Berlin nicht wenige Beobachter, die angesichts des mauen Wahlkampfauftakts von Unions-Spitzenkandidat Armin Laschet orakelten, jetzt könne dem CDU-Politiker nur noch ein Hochwasser oder ein Reaktorunglück helfen.
Themen gibt's reichlich, doch die Parteien punkten nicht
Auch wenn es angesichts der Toten und des materiellen Schadens zynisch klingt und irgendwie auch ist. Man weiß seit den SPD-Politikern Helmut Schmidt und Gerhard Schröder, dass Hochwasser durchaus Kandidaten ins Kanzleramt befördern können.
Laschet und sein Bundesland Nordrhein-Westfalen haben gerade eine Flutkatastrophe erleben müssen. Geholfen hat sie dem Kandidaten in den Umfragen jedoch nicht, obwohl er viel in den heimgesuchten Gebieten unterwegs war. Und daran ist nicht nur sein unpassender Lacher mitten in dem Chaos Schuld. Denn auch die anderen Parteien punkten nicht. Themen gäbe es reichlich.
Da wäre der Kampf gegen die Erderwärmung, der ein Umfrageturbo für die Grünen als klassische Klimapartei sein müsste, es aber nicht ist. Spitzenkandidatin Annalena Baerbock hat daran mit ihren Patzern einigen Anteil. Andererseits liegen sie vor der SPD, die von einem derzeit noch pannenfreien Olaf Scholz ins Rennen geführt wird. Der wirbt mit den Zukunftsthemen Arbeit und Rente, konnte zwar leicht zulegen, sich bisher aber nicht entscheidend absetzen.
Den jüngsten Umfragen zufolge ziehen Baerbock, Laschet und Scholz nicht einmal 50 Prozent der Zustimmung auf sich. Die meisten Wahlberechtigten sind also für keinen von den dreien. Das ist nicht nur mager, das ist blamabel. Was Spitzenpersonal und Themen gemeinsam haben: Sie sind von den Parteien so gleichförmig besetzt, dass die Wähler kaum einen Unterschied bemerken.
Dieser Bundestags-Wahlkampf ist gähnend langweilig
Mit anderen Worten: Es fehlt der Streit. Die Altkanzler Schmidt, Schröder, Kohl - was haben die sich herrlich unterhaltsam gefetzt mit dem politischen Gegner. Unterstützt wurden sie von wortgewandten Sekundanten wie Herbert Wehner (SPD), Heiner Geißler oder Wolfgang Schäuble (beide CDU), die für Stimmung im Wahlkampf sorgten. Selbst die sonst eher sachliche Kanzlerin Angela Merkel (CDU) war für pointenreiche Repliken gut.
Dieser Wahlkampf hingegen ist gähnend langweilig. Selbst die Corona-Pandemie sorgt nicht für Abgrenzung. Laschet muss mit Helfern wie dem CSU-Vorsitzenden Markus Söder auskommen, der ihm nur Knüppel zwischen die Beine wirft. Dem erfahrenen CDU-Politiker Friedrich Merz reichte es gerade, er immerhin griff per Twitter die Grünen an.
Radau ist kein Ersatz für Inhalte. Der politische Streit aber hilft, Unterschiede deutlich zu machen. Er schärft die Profile. Man erinnere sich beispielsweise an den Wahlkampf vor vier Jahren, als es darum ging, wie man die Menschen im Osten mitnimmt und sich von der AfD abgrenzt.
Briefwahl: Wer Stimmen gewinnen will, muss jetzt sofort damit anfangen
Streit erfordert Mut, und den hat noch keine der wahlkämpfenden Parteien wirklich bewiesen. Es dominiert die Vorsicht, gar die Angst davor, ein falsches Wort zu sagen und im Internet vorgeführt zu werden.
Die Zurückhaltung ist teils verständlich, es hilft aber nichts, sich zu verstecken. Die Entwicklung der letzten Jahre zeigt, wohin das führt: 1972 lag die Wahlbeteiligung bei 91 Prozent, vier Jahre später nur knapp darunter. Seitdem ist sie bis auf einige Ausnahmen kontinuierlich zurückgegangen.
Zeit ist keine mehr. Die Bundestagswahl ist zwar erst in knapp sieben Wochen. Doch in wenigen Tagen beginnt die Briefwahl. Wer Stimmen gewinnen will, muss jetzt sofort damit anfangen.