Schiiten stürzen Süden des Irak ins Chaos

Die Lage in Basra droht zu eskalieren. Bei Kämpfen zwischen Anhängern des schiitischen Predigers Al-Sadr mit Soldaten der Regierung starben Dutzende Menschen. Al-Sadr selbst hegt noch umfassendere Widerstandspläne.
Milizionäre der schiitischen Mahdi-Armee haben Regierungstruppen in der südirakischen Hafenstadt am Dienstag in heftige Gefechte verwickelt. Dabei starben mindestens 25 Menschen. Die meisten waren nach Angaben von Krankenhausärzten Soldaten und Polizisten. Unter den Toten befanden sich auch vier Angehörige der Mahdi-Armee.
In der vorwiegend von Schiiten bewohnten Stadt am Persischen Golf hatten die irakischen Behörden zuvor eine Ausgangssperre verhängt. Die britische Truppen hatten sich im Dezember vollständig aus der Stadt zurückgezogen und sind seither nur noch am Flughafen von Basra stationiert. Aus Angst, dass die Unruhen in Basra auf weitere Städte im schiitischen Süden übergreifen könnten, wurde am Dienstag auch in anderen Städten eine Ausgangssperre verkündet, darunter in Al- Nasirija und in Hilla. Unterstützung erhielten die Regierungstruppen von den Koalitionstruppen, die mit ihrer Luftwaffe Aufklärungsarbeit leisteten.
Al-Sadr droht mit Generalstreik
Die Mahdi-Armee gehört zur Bewegung des radikalen Schiiten- Predigers Muktada al-Sadr. Dieser rief seine Anhänger und die Polizei zur Mäßigung auf. Gleichzeitig forderte er seine Anhänger zum «zivilen Ungehorsam» auf. Außerdem sollten sie Exemplare des Korans und Olivenzweige an die Polizisten und Soldaten verteilen, die ihnen an den Straßensperren begegneten. In einer Erklärung Al-Sadrs, die in der schiitischen Pilgerstadt Nadschaf veröffentlicht wurde, hieß es, auch die Religionsgelehrten sollte zu einem Ende der Gewalt aufrufen. Gleichzeitig drohte Al-Sadr mit einem Generalstreik. Der seit Jahren schwelende Machtkampf zwischen den Schiiten-Parteien in Basra war nach dem Abzug der letzten britischen Soldaten aus der Stadt eskaliert.
Al-Maliki in Basra
Der irakische Ministerpräsident Nuri al-Maliki war am Montag mit mehreren Kabinettsmitgliedern nach Basra gereist, um einen neuen Plan zu besprechen, mit dem die Sicherheitslage in der Stadt unter Kontrolle gebracht werden soll. Anschließend verkündete er den Beginn einer Offensive mit dem Namen «Angriff der Ritter» in Basra. Al- Maliki gehört der schiitischen Dawa-Partei an.
Die Sadristen, die Dawa-Partei und die Partei Oberster Islamischer Rat im Irak (SICI) waren bei der Parlamentswahl im Dezember 2005 mit einer gemeinsamen Liste angetreten. Später kühlte das Verhältnis zwischen den Spitzenpolitikern der Schiiten-Allianz jedoch deutlich ab. Die Sadr-Fraktion, die ihre Hochburg in Bagdads Armenviertel Sadr-City hat, zog ihre Minister aus der Regierung ab.
Die US-Armee berichtete unterdessen, die Koalitionstruppen hätten in der Nacht zum Dienstag unweit von Basra fünf Extremisten getötet, die gerade einen Sprengsatz platziert hätten. Bereits am Sonntag seien durch einen Sprengstoffanschlag nahe der Stadt Bakuba zwei Kinder ums Leben gekommen. In der Nähe der Stadt Kirkuk im Norden töteten Extremisten an einer Straßensperre vier irakische Soldaten.
Keine weitere Reduzierung der US-Truppen
US-Präsident George W. Bush plant nach einem Bericht der Zeitung «New York Times« vorerst keine weitere Verringerung der US-Truppen im Irak. Der US- Oberkommandierende im Irak, General David Petraeus, habe in einer Videokonferenz mit Bush dafür plädiert, nach dem bis Juli geplanten Abzug von rund 30.000 Soldaten für mehrere Monate zunächst keine weitere Truppenreduzierung vorzunehmen.
Damit werde vermutlich erst der nächste US-Präsident, der nach den November-Wahlen im Januar 2009 ins Weiße Haus einzieht, über weitere Truppenreduzierungen zu entscheiden haben, schreibt das Blatt unter Berufung auf Regierungsbeamte. Petraeus hatte bereits mehrfach vor einem raschen Abzug der Soldaten aus dem Irak gewarnt, da dies verheerende Folgen für den Irak und die Region haben würde. Die 30 000 zusätzlichen Soldaten waren Anfang 2007 angesichts der bedrohlichen Sicherheitslage in den Irak abkommandiert worden. Seitdem ist vor allem in Bagdad die Gewalt zurückgegangen.
4000 US-Soldaten getötet
Bush hatte am Montag die Hoffnung geäußert, dass die bislang 4000 im Irakkrieg getöteten US-Soldaten nicht vergeblich gestorben seien. Er werde alles tun, «um sicherzustellen, dass diese Menschenleben nicht vergebens verloren wurden», sagte Bush am Montag in Washington. Zugleich versicherte er, dass die USA an ihrem Ziel festhielten, «den Sieg zu erringen». Bush nannte aber nicht ausdrücklich die Zahl von 4000 toten Soldaten und bezog sich auch auf zivile Opfer. Ziel des Irakeinsatzes sei weiterhin, dass «Amerika sicherer wird und dass diese jungen Demokratien überleben». Unterdessen teilte die US-Bundespolizei FBI am Montag mit, dass die Leichen zweier vor mehr als einem Jahr im Irak entführter US- Bürger gefunden worden seien. Bei den Opfern handelte es sich um zivile Mitarbeiter eines US-Sicherheitsunternehmens. Die beiden Männer seien Ende 2006 beziehungsweise Anfang 2007 entführt worden. Nähere Einzelheiten wurden nicht genannt. (dpa)