„Schaun’S, mich kennt einer“

Vor der Landtagswahl ist die CSU erschüttert. Davon will nun endlich der Spitzenkandidat der bayerischen SPD profitieren. Die AZ unterwegs mit Franz Maget auf Wahlkampftour in der Provinz.
von  Abendzeitung
Mitten in der roten Diaspora: Franz Maget vor dem Rathaus von Oberstaufen
Mitten in der roten Diaspora: Franz Maget vor dem Rathaus von Oberstaufen © Angela Böhm

OBERSTAUFEN - Vor der Landtagswahl ist die CSU erschüttert. Davon will nun endlich der Spitzenkandidat der bayerischen SPD profitieren. Die AZ unterwegs mit Franz Maget auf Wahlkampftour in der Provinz.

Von Angela Böhm

Das Navigationsgerät will ihn nicht ans Ziel bringen. Es schickt ihn immer wieder im Kreis herum. „Jetzt steigen wir aus und suchen das Rathaus zu Fuß“, sagt Franz Maget genervt. Ein Herr im braunen Sakko beobachtet die Szene. „Wo ist denn hier das Rathaus“, fragt ihn der SPD-Fraktionsvorsitzende. „Ich bin nicht von hier, ich bin aus Lindau“, schüttelt er den Kopf. „Aber Sie sind doch der Franz Maget.“ Maget strahlt übers ganze Gesicht: „Schaun’S, mich kennt einer. Es ist doch nicht so schlimm, wie gedacht.“

In den USA war er schon, um von Barack Obama das Siegen aus einer aussichtslosen Situation zu lernen, der Beckstein-Herausforderer, der am 28. September die CSU stürzen will. Beim Papst in Rom war er auch, um sich den Segen dafür zu holen. An diesem Tag nun tourt er durchs Allgäu – als Missionar in der roten Diaspora.

Hier ist die SPD noch schwächer als in Ober- und Niederbayern. Das Rathaus von Oberstaufen ist sein Ziel. Auf fünf Prozent haben es die Genossen hier bei der Kommunalwahl gebracht. Seit 1984 regieren die Freien Wähler mit Bürgermeister Walter Grath an der Spitze. „Wie lange haben’S Zeit“, empfängt er den Gast. Maget: „Eigentlich keine.“ Zu ehrgeizig ist sein Zeitplan auf der 14-stündigen Tour. Eine Dreiviertelstunde ist er eh schon im Verzug. Stundenlang ist er über die Landstraßen getuckert, hinter Lastern und Traktoren her. So dass sogar sein Fahrer schon nervös wurde und schimpfte: „Hoffentlich kommt jetzt bald die Polizei und holt die raus. Bauerntrottel!“

Ganz Bayern aufrollen

Bürgermeister Willi Grath erzählt im Rekordtempo von seinem Naturpark und seiner Bio-Energie, auf die er setzt. Und klagt, dass die Nachbarn in Österreich da schon viel weiter und vor allem besser gefördert seien. Dann noch schnell einen Eintrag ins Goldene Buch der Stadt. Und ein Tipp für die Landtagswahl. Fällt die CSU? Der Bürgermeister windet sich. „ Ich war dagegen, dass die Freien Wähler für den Landtag kandidieren. Ich glaube nicht, dass sie fällt. Aber ich trau’ mir keine Prognose zu.“

Maget will das gar nicht hören. Er will bis zur Landtagswahl ganz Bayern aufrollen. „Wir lassen keine Milchkanne aus, kein Volksfest, kein Bierzelt, keine Kulturveranstaltung. Wir reden mit den Leuten im kleinen Kreis“, sagt er.

"Die CSU bröckelt"

Bei seinem zweiten Anlauf wittert Maget Morgenluft. „Damals, 2003, da war die CSU unschlagbar und Stoiber auf seinem Höhepunkt,“ sagt er. Mit 19,6 Prozent fuhr er das schlechteste Wahlergebnis der SPD in der Nachkriegszeit ein. Die aktuellen Umfragen sind für die Genossen nicht besser. „Aber die CSU ist schwer verunsichert“, meint der Herausforderer. „Sie bröckelt und wird von allen Seiten angegriffen, den Freien Wählern, der FDP, den Linken, den Grünen und von uns.“

Sogar eine Wechselstimmung will er spüren. Zumindest „tendenziell“: „Immer mehr Menschen öffnen sich für den Gedanken, dass Bayern nicht untergeht, wenn die CSU nicht mehr regiert. Es gibt eine ganz große Bereitschaft, nicht CSU zu wählen.“ Auch an den Stammtischen habe die CSU ihre viel beschworene Lufthoheit verloren. „Jetzt sind die CSUler dort ganz kleinlaut.“

Auch hier sind die Leute nicht mehr mit der CSU zufrieden. „Dieser Hochmut, diese Arroganz, diese Selbstgerechtigkeit stört sie. Das bekomme ich immer wieder zu hören“, sagt Maget.

Wo Maget ein Heimspiel hat

Im Moment treibt Maget aber was ganz anderes um. Der Hut von Waldemar von Knoeringen. „Wer hat den?“, telefoniert er immer wieder herum. Das abgegriffene Erkennungszeichen des großen SPD-Widerstandskämpfers will er in Lindenberg dem einzigen deutschen Hutmuseum überreichen. Um 1990 gab es in dem Bergstädtchen 34 Hutfabriken, wurden vier Millionen Hüte gefertigt. Ein Betrieb blieb übrig.

„Wo ist jetzt der Hut“, gibt Maget nicht auf. Museums- Leiter Manfred Röhrl begrüßt ihn schon. Der Bürgermeister ist längst wieder gegangen auf einen anderen Termin. Er wollte auf den verspäteten Maget nicht warten. Ein Mitarbeiter drückt ihm einen Hut in die Hand. „Schaun’S, das ist der Hut vom Waldemar von Knoeringen“, sagt Maget erleichtert. Von wegen. Dieser Hut saß niemals auf dem Kopf des großen Genossen, der von 1906 bis 1971 lebte. Zu schön, zu fein, zu neu. Betroffen lässt Maget ihn verschwinden. Die echte Kopfbedeckung liegt in der Parteizentrale in München und wurde ganz einfach vergessen.

Aber im Lindenberger Hutmuseum, wo die Markenzeichen von Udo Lindenberg bis zu Luis Trenker zu sehen sind, ist er auch ohne Mitbringsel willkommen. Hier hat Maget ein Heimspiel. Die SPD verleiht hier jedes Jahr den „Sozialisten-Hut“. Vor dem Museum hellt sich Magets Miene wieder auf. An einem Straßenschild entdeckt er ein Wapperl von 1860 München. „Wir sind überall“, strahlt der neue Löwen-Vize-Präsident.

Der Wahlkämpfer fährt zur Ausbildungsstätte des Kolpingwerks, in Jugendzentren, in Grundschulen, zum Jugendring. Er hört sich die Klagen über die Schulen an, über die Ausbildungsplätze. Spielt mit Erstklässlern und fachsimpelt über die Märklin-Eisenbahn. Natürlich für die Fotografen und Kameras.

Präsenz in Bayern

Dass seine Wahlkampftour kaum einen Wähler anlockt, stört Maget wenig. Hauptsache die örtlichen Medien sind da. TV-Allgäu, Regio-TV-Schwaben, Radiosender, örtliche Presse. Maget überschlägt: „Morgen früh lesen und sehen mindestens eine halbe Million Menschen von meinem Besuch. Das bringt mehr als eine Veranstaltung mit 200 Leuten. Das gibt Präsenz in Bayern. Auch wenn’s auf meine Knochen geht.“

Eigentlich rast er, wenn die Strecke frei ist, von einer Presselandschaft in die andere. „Bayern ist so groß“, sagt er. Im Auto hat Maget sein Büro aufgeschlagen, telefoniert in Berlin mit Verkehrsminister Tiefensee und mit Franz Müntefering. „Nach Berlin fahr ich jetzt nimmer“, stöhnt der Wahlkämpfer. „Da herrscht tiefe Depression. Da sind wir ja in Bayern die Stimmungskanone der SPD.“

Axel Munte, der Vorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung ruft an und will den SPD-Fraktionschef in seine Kampagne gegen den Gesundheits-Fonds einbeziehen. „Schaun’S, ganz neue Koalitionen tun sich auf“, freut sich Maget. Peter Beer, der Leiter des Katholischen Büros Bayern ruft an. „Das Interesse an mir wächst“, freut sich der Wahlkämpfer. „Die Gesprächspartner ändern sich. Ihre Zahl nimmt zu.“

"Im ganzen Leben noch nicht SPD gewählt"

Ankommen tut er bei allen. „Er hat mich als Mensch überzeugt“, sagt Josef Paul, der Geschäftsführer des Kolpingbildungswerks. „Er hat sicher alle Voraussetzungen um Ministerpräsident werden zu können.“ Ober er ihn auch wählt? „Ich hab ja in meinem ganzen Leben noch nicht SPD gewählt.“

Bei Herbert Dischinger, dem Vorzeige-Unternehmer aus Zusmarshausen, ist das nicht anders. Er hatte die Idee, einen Werkzeugkoffer mit Fächern auszustatten und hat aus einem Einmann-Betrieb eine Weltfirma mit 500 Angestellten gemacht. Franz Maget gibt er bei seinem Besuch eine „Chance“. „Denn wie sich die CSU aufführt, so geht’s nicht“, schimpft er. An einen Wechsel in Bayern aber glaubt auch Dischinger nicht. Aber: „Die brauchen mal einen Denkzettel.“ Da kehren in Maget nach 560 Kilometern Fahrt alle Kräfte auf einen Schlag zurück: „Hörn S’as, Hörn S’as? Die CSU braucht mal einen richtigen Denkzettel.“

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