„Schäublonen“ – Polit-Slogans zum Selberbasteln

Im Internet blüht der Wettbewerb, wie klassische Partei-Plakate umgestaltet werden können – vor allem die von Innenminister und Überwachungs-Fan Wolfgang Schäuble.
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Im Internet blüht der Wettbewerb, wie klassische Partei-Plakate umgestaltet werden können – vor allem die von Innenminister und Überwachungs-Fan Wolfgang Schäuble.

MÜNCHEN Seitdem es Wahlplakate gibt, fühlen sich Hobbykünstler dazu aufgerufen, sie mehr oder weniger lustig zu veredeln: durch Clownnasen, Hitlerbärtchen und Sprüche. Im Internetzeitalter wird jetzt aus diesen Witzchen mehr als Improvisationskunst: nämlich eine politische Kampagne.

Die CDU bekommt das gerade massiv zu spüren. Ein neues Plakat mit ihrem Innenminister Wolfgang Schäuble wird im Internet zu einem Sensationserfolg, mit dem so niemand rechnete: Die Onlinegemeinde tauscht die Original-slogans durch ihre eigenen Sprüche aus und verbreitet das Plakat so in Windeseile im ganzen Netz.

Freilich geschieht das auf durchaus kritische Art. Denn Schäuble ist mit seinen Überwachungsvorschlägen der natürliche Gegner vieler Onlineaktivisten. Die haben sich die möglichst unbeschränkte Freiheit im Netz auf ihre Fahnen geschrieben: Heißt es im Originalplakat „Wir haben die Kraft für Sicherheit und Freiheit“, liest sich das auf den Online-Werken so: „Wir wollen die Macht für Sicherheit statt Freiheit“ und „Ich weiß, was Du letzten Sommer getan hast“. Oder gleich, in Anlehnung an einen Spruch des DDR-Stasi-Ministers Erich Mielke an sein aufständisches Volk: „Ich liebe Euch doch alle.“

Direkt nach der Vorstellung des Originals hatte Markus Beckedahl auf seinem Politikblog www.netzpolitik.org zu der Aktion aufgerufen: „Das Motiv ist doch geradezu eine Einladung, etwas schönere Slogans abseits der Partei-PR zu bauen.“ Die Internetszene nennt das „Remix“, in Anlehnung an die Popmusik: Dort ist ein Remix eine neu bearbeitete Version eines bekannten Songs.

Wie in der Popmusik

Und so wie ein neu gemischter Song zugleich den alten transportiert, ist es auch beim Plakate-Remix: Auch wer nur die Veralberung sieht, nimmt zugleich das Original wahr, sieht Schäuble, vernimmt seine Worte. Längst schon sind solche Phänomene in der Internet-Werbung eine feste Größe. „Virales Marketing“ lautet der Fachbegriff dafür, wenn man User dazu bringt, Botschaften in Text, Bild oder Video zu verändern und weiterzuverbreiten.

Wie erfolgreich das in der Politik funktioniert, überraschte dann doch. Organisator Beckedahl meldete binnen eines Tages 170 Einsendungen („Schäublonen“). Und es gibt noch ein Zeichen dafür, wie gut die Sache läuft: Ärger. Fotografin Laurence Chaperon, die das Originalbild machte, wehrt sich gegen die Weiterverbreitung: Es handele sich um eine unerlaubte Nutzung.

Wahrscheinlich markiert der Plakatkrieg den Auftakt zu ganz neuen Formen des Wahlkampfs. Schon bei der EU-Wahl gab es ähnliche Scharmützel. Und zugleich schlägt der Trend auch auf herkömmliche Papierplakate durch. Als sich bei der EU-Wahl der beleibte CSU-Kandidat Bernd Posselt in ganzer Körperfülle auf einem Plakat präsentierte, veredelten Witzbolde das Poster durch kleine Aufkleber „Für ein schlankes Europa“. Sie waren so perfekt gemacht, dass sie wirkten wie ein Teil des Originals.

Frank Müller

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